Der Gotteswahn
Aussage, dass man die Existenz Gottes nicht widerlegen kann. Als ich McGrath las, ertappte ich mich dabei, wie ich Seite um Seite »Teekanne« an den Rand kritzelte. Auch McGrath beruft sich auf T.H. Huxley und schreibt: »Nachdem Huxley es satt hatte, dass Theisten wie Atheisten auf der Grundlage unzureichender empirischer Belege hoffnungslos dogmatische Behauptungen aufstellten, erklärte er, man könne die Gottesfrage mit wissenschaftlichen Methoden nicht lösen.«
Anschließend zitiert McGrath Stephen Jay Gould mit einer ganz ähnlichen Aussage: »Um es für alle meine Kollegen und zum soundsoviel millionsten Mal (von nächtlichen Diskussionen im College bis zu gelehrten Abhandlungen) zu sagen: Die Naturwissenschaft kann (jedenfalls mit ihren legitimen Methoden) kein Urteil darüber abgeben, ob Gott die Natur beaufsichtigt. Wir können es weder bestätigen noch bestreiten; wir können als Naturwissenschaftler einfach keinen Kommentar dazu abgeben.« Trotz des selbstsicheren und fast einschüchternden Tons von Goulds Behauptung muss man fragen, wie eine solche Aussage zu rechtfertigen ist. Warum sollen wir als Naturwissenschaftler keine Kommentare über Gott abgeben? Und warum ist Russells Teekanne oder das fliegende Spaghettimonster nicht ebenso immun gegenüber naturwissenschaftlicher Skepsis? Wie ich in Kürze genauer darlegen werde, wäre ein Universum mit einem schöpferischen Aufseher ganz anders geartet als ohne ihn. Warum soll das keine naturwissenschaftliche Angelegenheit sein?
In geradezu epischer Breite betrieb Gould die Kunst der geistigen Rolle rückwärts in Rocks of Ages: Science and Religion in the Fullness of Life (»Felsen der Zeiten: Wissenschaft und Religion in der Fülle des Lebens«), einem seiner weniger bekannten Bücher. Dort prägte er die Abkürzung NOMA für den Ausdruck »non-overlapping magisteria« (»nicht überlappende Wissensbereiche«):
Das Netz oder der Wissensbereich der Naturwissenschaft deckt den empirischen Bereich ab: Woraus besteht das Universum (Tatsache) und warum funktioniert es so (Theorie)? Der Wissensbereich der Religion erstreckt sich auf Fragen nach letzter Bedeutung und moralischen Werten. Diese beiden Wissensbereiche überschneiden sich nicht und schließen auch nicht alle geistigen Domänen ein (man denke beispielsweise an den Wissensbereich der Kunst und die Frage nach dem Sinn der Schönheit). Um ein altes Klischee zu strapazieren: Wissenschaft beschäftigt sich mit dem Alter der Felsen und Religion mit dem Fels des Glaubens; Wissenschaft fragt, wie der Himmel funktioniert, und Religion, wie man in den Himmel kommt.
Das klingt großartig – bis man einmal kurz darüber nachdenkt. Was sind das für letzte Fragen, in deren Gegenwart die Religion ein Ehrengast ist und die Wissenschaft sich respektvoll zurückhalten muss?
Der angesehene Astronom Martin Rees aus Cambridge, den ich bereits erwähnt habe, stellt am Anfang seines Buches Our Cosmic Habitat (Das Rätsel unseres Universums: Hatte Gott eine Wahl?) zwei potenziell letzte Fragen und gibt darauf eine NOMA-freundliche Antwort: »Die eigentliche Frage lautet: Weshalb gibt es überhaupt etwas? Was verleiht den physikalischen Gleichungen den Odem des Lebens und lässt sie zu einem tatsächlich existierenden Kosmos werden? Fragen wie diese liegen außerhalb der Naturwissenschaften, sie gehören in den Bereich der Philosophie und der Theologie.« Ich würde lieber sagen: Wenn sie wirklich außerhalb des Bereichs der Naturwissenschaften liegen, dann liegen sie auch außerhalb des Bereichs der Theologie (und ich bezweifle, dass die Philosophen es Martin Rees danken werden, wenn er sie mit den Theologen in einen Topf wirft). Ich bin versucht, sogar noch einen Schritt weiter zu gehen und die Frage zu stellen, inwiefern man überhaupt sagen kann, die Theologen hätten eine eigene Domäne. Ich muss noch heute schmunzeln, wenn ich an eine Bemerkung des Leiters meines früheren Colleges in Oxford denke. Ein junger Theologe hatte ein Nachwuchs-Forschungsstipendium beantragt, aber seine Doktorarbeit in christlicher Theologie veranlasste den Collegeleiter zu den Worten: »Ich habe ernste Zweifel, ob die Dissertation überhaupt einen Gegenstand hat.«
Welche Fachkenntnisse, die ein Naturwissenschaftler nicht besitzt, können Theologen in die Untersuchung weit reichender kosmologischer Fragen einbringen? In einem anderen Buch habe ich berichtet, was mir ein Astronom aus Oxford antwortete, als ich ihm eine dieser weit
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