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Der Gotteswahn

Der Gotteswahn

Titel: Der Gotteswahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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Erde die Form eines Rhombus habe und in den Scheren zweier riesiger grüner Hummer namens Esmeralda und Keith durch den Kosmos getragen werde.« 34 Ein Lieblingstier der Philosophen ist das unsichtbare, unberührbare, unhörbare Einhorn, dessen Widerlegung die Kinder bei Camp Quest jedes Jahr versuchen. [6] Eine im Internet sehr beliebte Gottheit – die sich ebenso wenig widerlegen lässt wie Jahwe oder jede andere – ist derzeit das fliegende Spaghettimonster, das die Menschen vielfachen Behauptungen zufolge mit seinem nudeligen Anhängsel tief berührt. 35 Zu meinem Entzücken habe ich gesehen, dass das Evangelium des fliegenden Spaghettimonsters inzwischen auch als Buch erschienen ist und großen Anklang findet. 36 Ich habe es selbst noch nicht gelesen, aber wer muss schon ein Evangelium lesen, wenn man doch weiß , dass es wahr ist? Übrigens kam es, wie es kommen musste: Die große Spaltung ist bereits eingetreten, und so gibt es jetzt auch eine Reformierte Kirche des fliegenden Spaghettimonsters. 37
    All diese aberwitzigen Beispiele haben eines gemeinsam: Sie lassen sich nicht widerlegen, und doch glaubt niemand, die Hypothese ihrer Existenz stehe auf der gleichen Stufe wie die Hypothese ihrer Nichtexistenz. Russells entscheidende Aussage lautet: Die Beweislast liegt nicht bei den Ungläubigen, sondern bei den Gläubigen. Und mir geht es darum, dass für die Teekanne (das Spaghettimonster/Esmeralda und Keith/das Einhorn usw.) nicht die gleiche Wahrscheinlichkeit spricht wie dagegen.
    Dass Teekannen in Umlaufbahnen und Zahnfeen sich nicht widerlegen lassen, gehört für keinen vernünftigen Menschen zu den Tatsachen, die zu interessanten Diskussionen führen. Niemand von uns fühlt sich verpflichtet, all die unzähligen hergeholten Dinge zu widerlegen, die eine fruchtbare oder witzige Fantasie sich ausdenken kann. Nach meiner Erfahrung ist es eine amüsante Strategie, wenn ich auf die Frage, ob ich Atheist sei, darauf hinweise, dass der Fragesteller ebenfalls Atheist ist, nämlich in Bezug auf Zeus, Apollo, Amon Ra, Mithras, Baal, Thor, Wotan, das Goldene Kalb oder das fliegende Spaghettimonster. Ich bin einfach schon einen Gott weiter.
    Jeder von uns fühlt sich berechtigt, Skepsis bis hin zum regelrechten Unglauben zu äußern – nur besteht im Fall der Einhörner, Zahnfeen oder der Götter Griechenlands, Roms, Ägyptens oder der Wikinger (jedenfalls heute) keine Notwendigkeit, sich diese Mühe zu machen. Im Fall des abrahamitischen Gottes dagegen müssen wir uns anstrengen, denn ein beträchtlicher Anteil der Menschen, mit denen wir unseren Planeten teilen, glaubt fest an seine Existenz. Wie Russells Teekanne zeigt, ändert die Tatsache, dass der Glaube an Gott im Vergleich zum Glauben an die himmlische Teekanne weit verbreitet ist, aus logischer Sicht überhaupt nichts an der Verteilung der Beweislast. Unter dem Gesichtspunkt der praktischen Politik mag es allerdings durchaus so erscheinen, als verschöbe sie sich. Dass man Gottes Nichtexistenz nicht beweisen kann, ist eine allgemein anerkannte, triviale Erkenntnis, und sei es auch nur in dem Sinn, dass man die Nichtexistenz von irgendetwas niemals absolut beweisen kann. Entscheidend ist nicht, ob Gottes Existenz widerlegbar ist (das ist sie nicht), sondern ob sie wahrscheinlich ist. Das ist eine ganz andere Frage. Manche nicht widerlegbaren Dinge gelten vernünftigerweise als sehr viel unwahrscheinlicher als andere, die ebenfalls nicht zu widerlegen sind. Es besteht kein Anlass, Gott von solchen Überlegungen im Spektrum der Wahrscheinlichkeiten auszunehmen. Und erst recht besteht kein Anlass zu der Annahme, Gottes Existenz habe eine Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent, nur weil wir sie nicht widerlegen können. Ganz im Gegenteil. Mehr dazu später.

NOMA

    Genau wie Thomas Huxley, der eine geistige Rolle rückwärts vollzog, um exakt in der Mitte meines Sieben-Punkte-Spektrums ein Lippenbekenntnis zum völlig unparteiischen Agnostizismus abzulegen, so tun die Theisten das Gleiche auch aus der anderen Richtung, und zwar aus einem entsprechenden Grund. Der Theologe Alister McGrath macht daraus die zentrale Aussage seines Buches Dawkins’ God: Genes , Memes and the Origin of Life (»Dawkins’ Gott: Gene, Meme und der Ursprung des Lebens«). Nachdem er meine wissenschaftlichen Arbeiten tatsächlich bewundernswert fair zusammengefasst hat, bleibt ihm offenbar nur noch ein einziges Gegenargument: die unbezweifelbare, aber schrecklich wenig stichhaltige

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