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Der Graben: Thriller (German Edition)

Der Graben: Thriller (German Edition)

Titel: Der Graben: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kôji Suzuki
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da, wie vor den Kopf geschlagen, nur Saeko wankte zum Sofa am Fenster und ließ sich darauf sinken. Dabei bemerkte sie das Briefpapier von der Art, wie es das Hotel gratis zur Verfügung stellte. Es lag auf dem Couchtisch vor ihr und war beschrieben. Saeko beugte sich vor und begann zu lesen.
    Ich bin so müde, einfach erschöpft.
    Es tut mir so leid, dass ich keine größere Hilfe sein konnte.
    Als mein Sohn starb, erhielt ich die Gabe, allein durch das Berühren von Gegenständen deren Vergangenheit zu lesen. Ich weiß nicht, wer mir diese Gabe verliehen hat, doch rückblickend war sie ziemlich lästig. Manchmal habe ich etwas angefasst, und schon wusste ich alles darüber. Manchmal passierte auch nichts. Meine Gabe war unvollkommen und unberechenbar. Wenn die Leute ein Ergebnis hören wollten, musste ich zuweilen etwas erfinden.
    Andere zu belügen ist jedoch nicht so schwer, wie sich selbst zu belügen.
    Heute Nachmittag in dem Park wurde mir klar, wie machtlos ich bin, wie klein. Was habe ich bisher getan? Die Welt fällt auseinander. Wenn ich mich in den Vordergrund drängte, würde ich meine Scham nur vergrößern.
    Ist es mir möglich, mich daraus zurückzuziehen? Meine Seele ist erschöpft, meine Energie verbraucht. Mein Körper gehorcht mir nicht mehr. Ich entschuldige mich für meinen Egoismus. Ich bin dankbar für alles, was Sie für mich getan haben.
    Herr Hashiba, ich danke Ihnen für Ihre vielen Gefälligkeiten. Doch nun endlich scheint Ihr Wunsch bald in Erfüllung zu gehen.
    Saeko, ich hoffe von ganzem Herzen, dass auch Ihre Wünsche sich erfüllen.
    Ich für meinen Teil freue mich darauf, endlich wieder mit meinem Sohn vereint zu sein.
    22. Dezember 2012
    Shigeko Torii
    Es war ein Abschiedsbrief – so viel stand fest. Saeko zeigte ihn den anderen und schaute nochmals in Shigekos Gesicht. Es zeigte keine Anzeichen von Schmerz, nur die Würde eines natürlichen Todes, ähnlich wie die Ebbe am Meer. Dies stand in vollkommenem Widerspruch dazu, dass es einen Abschiedsbrief gab. Hätte die alte Frau eine Überdosis Tabletten geschluckt, so hätte man ihr deutliche Anzeichen eines Kampfes zwischen Leben und Tod angesehen. Shigeko sah jedoch aus, als wäre sie einfach an Altersschwäche gestorben.
    Als Polizei und Rettungswagen eintrafen, wusste Saeko, dass sie und das Team würden bleiben müssen, um eventuelle Fragen zu beantworten. Falls die Ermittler den Verdacht schöpften, dass in dem Hotel ein Verbrechen geschehen sein könnte, würden sie eine Autopsie anordnen, und das würde dieses Fiasko noch mehr in die Länge ziehen. Bevor das passierte, wollte Saeko mit Hashiba sprechen. Sie verließ Shigekos Zimmer und kehrte in ihr eigenes zurück.
    Sie schaute auf ihre Armbanduhr. Hashiba würde jetzt sicherlich im Sender angekommen sein. Sie rief seine Nummer auf ihrem Handy auf und drückte die Ruftaste, doch sie wurde direkt mit seiner Mailbox verbunden. Seltsam – aus irgendeinem Grund musste er sein Telefon ausgeschaltet haben. Saeko wusste, dass er es prinzipiell anließ, auch wenn er beschäftigt war. Warum sollte er es ausgerechnet heute Nacht ausgeschaltet haben? Die Worte aus Shigekos Abschiedsbrief fielen ihr wieder ein, während sie noch mit dem Telefon in der Hand dastand:
    Doch nun endlich scheint Ihr Wunsch bald in Erfüllung zu gehen.
    Irgendwie musste Shigeko von etwas gewusst haben, das Hashiba wollte. Wenn sie nur seine Stimme hören könnte, würde sie sich besser fühlen, das wusste sie. Doch es half nichts – das Tonsignal der toten Leitung schürte ihre Unruhe nur noch mehr.
    34
    Die polizeilichen Ermittlungen wurden auf den folgenden Tag verschoben, und Saeko verbrachte eine unruhige, überwiegend schlaflose Nacht in ihrem Hotelzimmer, bevor sie um neun Uhr am nächsten Morgen zur Besprechung mit den Beamten ging.
    Die ersten Untersuchungen hatten ergeben, dass ein Verbrechen ausgeschlossen werden konnte. »Herzversagen«, dieser Begriff kam Saeko in den Sinn, doch da Shigeko keinerlei Schmerzen empfunden zu haben schien, kam ihr »Altersschwäche« passender vor. Falls eine komplette Autopsie durchgeführt wurde, würde man feststellen können, ob sie an irgendwelchen Krankheiten vor allem des Herzens gelitten hatte, doch auf jeden Fall war klar, dass sie eines natürlichen Todes gestorben war. Nur der Abschiedsbrief sorgte für Verwirrung.
    Während Saeko mit der Polizei zusammensaß, wurde ihr klar, dass hinter den Fragen der Beamten das Problem stand, die Widersprüche an

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