Der Graben: Thriller (German Edition)
einzureden, dass dort niemand war, doch das unheimliche Gefühl blieb. Ihre Fantasie ging mit ihr durch und ließ sie alles überdeutlich empfinden, deutlicher, als wenn tatsächlich jemand dort gewesen wäre. Ihre Ohren schnappten das Geräusch von Schlüsseln auf, die hinter ihr klimperten.
Da ist niemand, da ist niemand…
Dieses Mantra wiederholte Saeko im Geiste ein ums andere Mal, und sie betete, dass das Gefühl verschwinden möge.
37
Kitazawa hatte es gewusst, bevor Saeko ihn darauf hingewiesen hatte. Es war ausgeschlossen, dass sie den Terminkalender ihres Vaters rein zufällig im Haus der Fujimuras entdeckt hatte. Er sank tiefer in den Bürostuhl hinter seinem Schreibtisch. Der Stuhl glitt zurück, und er wäre beinahe hinuntergefallen. Rasch setzte er sich wieder auf.
Es war klar, dass an irgendeinem Punkt etwas geschehen war, was dazu geführt hatte, dass die Fujimuras den Terminkalender mitgenommen hatten. Kitazawa fragte sich, ob es möglich war, dass Shinichiro Kuriyama einen aus dieser Familie gekannt hatte. Wenn nicht, konnte er irgendwann einem von ihnen begegnet sein? Gab es irgendwelche Gemeinsamkeiten zwischen ihnen?
Er beschloss, zunächst die Orte durchzugehen. Vielleicht war irgendwann einmal jemand aus der Familie Fujimura am gleichen Ort gewesen wie Shinichiro. Kitazawa begann die Akten durchzusehen, die er bisher zusammengestellt hatte. Die Menge der Informationen, die er bisher sammeln konnte, war von Fall zu Fall sehr verschieden. Er betrachtete die drei Akten, die vor ihm lagen. Eine für die Familie Fujimura, eine für die Vermisstenfälle von Itoigawa und schließlich eine für Saekos Vater.
Als Saeko ihn beauftragt hatte, Nachforschungen zum Verschwinden ihres Vaters anzustellen, hatte sie ihm eine üppige Vorauszahlung gegeben, durch die er sich den Luxus erlauben konnte, längere Zeit mit dem Fall zuzubringen als normalerweise. Entsprechend dick war diese Akte. Zum Fall Fujimura hatte er hingegen die wenigsten Informationen, eine Mischung aus Einzelheiten, die er zum Teil selbst zu sammengetragen und zum Teil von Saeko erfahren hatte. Die Itoigawa-Akte war die zweitdickste. Von den drei Personen, die aus dem Laden verschwunden waren, hatte Kitazawa sich am meisten mit Mizuho Takayama beschäftigt, da deren Eltern ihn eigens auf diesen Fall angesetzt hatten.
Kurz vor ihrem Verschwinden war Mizuho von der Überwachungskamera im Laden gefilmt worden. Da er das Filmmaterial gesehen hatte, konnte Kitazawa sich die Szene vorstellen – das Bild ihres Arms, der sich während des Erdbebens auf dem Boden wand, das silberne Armband an ihrem Handgelenk. Insgesamt war Kitazawas Akte zum Fall Mizuho ziemlich umfassend.
In seiner Anfangszeit als Privatdetektiv hatte Kitazawa den Fall einer vermissten Frau übernommen. Im Laufe seiner Untersuchungen hatte er sich auch mit ihren Reisen befasst und festgestellt, dass sie nur zwei Monate vor ihrem Verschwinden in Vietnam gewesen war. Einer Ahnung folgend, dass hier ein Zusammenhang bestehen könnte, war er an den Ort in Vietnam gefahren und hatte tatsächlich die Frau gefunden, die dort mit einem Geliebten lebte. Sie hatte ihm erklärt, nach ihrer Rückkehr nach Japan habe sie diesen Mann nicht vergessen können, in den sie sich auf ihrer Reise verliebt hatte, und deshalb sei sie durchgebrannt. Schon bald habe sie jedoch ihr früheres Leben vermisst; zur Freude seines Kunden konnte Kitazawa sie überreden, nach Japan zurückzukehren.
Seitdem überprüfte Kitazawa grundsätzlich, welche Orte Leute vor ihrem Verschwinden besucht hatten, insbesondere im Ausland. Ihm war aufgefallen, dass in Saekos Unterlagen zum Verschwinden der Fujimuras solche Informationen fehlten – die Reisen der Familie hatte sie nicht untersucht. Seine eigenen Nachforschungen hatten keine potenziellen Verbindungen zwischen Saekos Vater und Kota Fujimura in Japan ergeben. Der logische nächste Schritt war gewesen, sich deren Auslandsreisen anzusehen. Shinichiro Kuriyama war sehr häufig außerhalb Japans unterwegs gewesen. Auf seinen Reisen war er in der ganzen Welt herumgekommen: Europa, Nord- und Südamerika, Asien, Ozeanien, Afrika… Also hatte Kitazawa die Suche auf die letzten Jahre vor Kuriyamas Verschwinden beschränkt, doch selbst dann war die Anzahl der besuchten Orte enorm: England, Frankreich, Amerika, Indien, Mexiko, Russland, die Mongolei… Seine letzte Reise hatte ihn nach Peru und Bolivien geführt.
In krassem Gegensatz dazu schien die Familie Fujimura
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