Der Graf von Castelfino
seinetwegen. Meg hatte in ihrem Leben nur eine einzige feste Beziehung gehabt. Deshalb war sie in Sachen Liebe keine ausgesuchte Expertin. Bis zu ihrem ersten Zusammentreffen mit Gianni hatte sie nicht realisiert, wie viel ihr entgangen war. Er war es gewesen, der ihre Leidenschaft entfacht hatte. Nun wollte sie alles darüber herausfinden.
Gavin, ihr bisher einziger Freund, war zu schwerfällig, zu umständlich gewesen. Als Kumpel war er in Ordnung, doch er wollte Meg ständig in eine Richtung treiben, die sie nicht einschlagen wollte. Darüber hinaus hatte er versucht, jede Sekunde ihrer freien Zeit in Beschlag zu nehmen, während sie sich mit all ihrer Kraft ihrem Studium widmen wollte. Das hatte sie ihm übel genommen.
Ihre Eltern mussten sich sämtliche Fachkenntnisse mühsam aus gelebten Erfahrungen aneignen, daher wusste Meg um den Wert einer soliden Ausbildung. Außerdem hatte sie nicht das Bedürfnis, ihre Karriere durch eine ernsthafte Romanze zu gefährden. Jedenfalls war das bisher ihre Vorstellung gewesen …
Gianni Bellini war unverhofft in ihr Leben getreten und hatte ihre sorgfältig durchdachten Pläne über den Haufen geworfen. Er war ganz anders als die Männer, denen sie bisher begegnet war. Andauernd spukte er ihr im Kopf herum, zu Gesicht allerdings bekam sie ihn nur selten. Ein oder zwei Mal sah sie ihn den Zypressenweg entlanglaufen, vertieft in eine Unterhaltung am Handy.
Sie konnte ihn in Ruhe beobachten, weil er völlig auf das Gespräch konzentriert war. Das war sehr viel zufriedenstellender, als nur jene flüchtigen Blicke zu erhaschen, wenn er unterwegs war, um mit einem seiner Pächter oder leitenden Angestellten seinen Besitz zu inspizieren.
Die Abende schenkten Meg oft die größte Freude, bereiteten ihr aber auch die schrecklichsten Qualen. Ihr neues Zuhause lag nicht weit von der Auffahrt zum Herrenhaus entfernt. So war sie stets informiert, wenn Gianni abends wegging. Sein erschreckend schneller Ferrari kam richtig in Fahrt, wenn er am Gartenhaus vorbeisauste und beschleunigte.
Als sie das laute Röhren zum ersten Mal hörte, ließ sie vor Schreck fast ein Tablett mit frisch gebackenen Plätzchen fallen. Bald hatte sie sich daran gewöhnt.
Eine ganz andere Sache war es jedoch, wenn Gianni spätnachts zurückkehrte. Regelmäßig fand sie deshalb vor drei Uhr morgens keinen Schlaf. Müde schlüpfte sie dann aus dem Bett und schlich zum Fenster. Sie versteckte sich im Schatten und hoffte, einen Blick auf ihn zu erhaschen. Die Gelegenheit ergab sich, sobald er aus dem Wagen stieg, die Treppenstufen hinaufeilte und im Haupthaus verschwand. Bis jetzt waren ihre schlimmsten Befürchtungen noch nicht eingetreten. Angsterfüllt wartete Meg förmlich darauf, dass er eine Frau mitbrachte. Doch das passierte nie. Er kam immer allein zurück.
Meg könnte erleichtert sein, wäre da nicht noch eine Sache, die sie verwirrte. Bevor Gianni hinter dem Hauptportal verschwand, warf er regelmäßig einen vielsagenden Blick zurück auf ihr Schlafzimmerfenster. Selbstverständlich hielt sie sich im Hintergrund, um nicht entdeckt zu werden. Doch es nützte nichts. Sein letzter Blick, ehe er im Haus verschwand, galt immer ihr. Es kam ihr vor, als sähe er direkt in ihr Herz.
Irgendetwas hatte ihn wachsam werden lassen, obwohl er sie noch nie dabei erwischt hatte, wie sie ihm nachspionierte. Zumindest hatte er es mit keinem Wort erwähnt. Sie kannte Gianni inzwischen gut genug, um davon auszugehen, dass er eine solche Beobachtung niemals für sich behalten würde. Er hätte sie ganz sicher direkt zur Rede gestellt. Aber dazu kam es nicht. Umso besser. Denn die Konsequenz wäre, ihre nächtlichen Wachen aufzugeben. Und das würde sie – könnte sie – niemals tun.
Tagelang hatte Meg in quälender Ungewissheit verbracht. Sie überwachte die letzten Arbeiten bei der Errichtung der von ihr entworfenen Treibhäuser. Gianni hatte sich inzwischen nicht mehr bei ihr sehen lassen. Gerade als sie dabei war, die letzten Verfeinerungen in den Objektplan einzufügen, wurde sie vom Klingeln ihres Handys unterbrochen.
„Miss Imsey? Der Conte di Castelfino möchte Sie in seinem Büro sehen.“ Eine von Giannis persönlichen Assistentinnen war am anderen Ende.
Megs Herz klopfte wie wild. „Gut. Und wann?“
Eisige Stille. Vermutlich war es das erste Mal, dass jemand davon ausging, Gianni Bellini würde warten. Die Antwort war knapp und brachte es auf den Punkt.
„ Immediatamente! Am besten noch
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