Der Graf von Monte Christo 2
Waff en mitgebracht?«
»Ich, wozu? Ich hoff e doch, daß die Herren die ihren bei sich haben.«
»Ich werde mich erkundigen«, sagte Morrel.
»Ja, aber keine Unterhandlungen, Sie verstehen mich?«
»Oh, seien Sie beruhigt!«
Morrel ging auf Beauchamp und Château-Renaud zu, die, als sie ihn kommen sahen, ihm entgegenschritten. Man grüßte sich, wenn nicht freundschaftlich, so doch höfl ich.
»Verzeihen Sie, meine Herren«, sagte Morrel, »aber ich bemerke Herrn von Morcerf nicht.«
»Er hat uns heute morgen benachrichtigt, daß er uns erst hier tref-fen werde«, antwortete Château-Renaud.
»Ah!« äußerte Morrel.
Beauchamp zog seine Uhr. »Fünf Minuten nach acht, es ist noch nicht zu spät, Herr Morrel«, sagte er.
»Oh«, antwortete Morrel, »so habe ich es nicht gemeint.«
»Zudem kommt da ein Wagen«, sagte Château-Renaud.
In der Tat sah man einen Wagen, der sich rasch der Stelle näherte, wo die Herren standen.
»Meine Herren«, sagte Morrel, »Sie haben jedenfalls Pistolen mitgebracht? Der Herr Graf von Monte Christo erklärt, auf das Recht, sich der seinen zu bedienen, zu verzichten.«
»Wir haben vorausgesehen, daß der Graf so vornehm handeln wür-de, Herr Morrel«, antwortete Beauchamp, »und ich habe Waff en mitgebracht. Sie sind neu und noch von niemand benutzt. Wollen Sie sie untersuchen?«
»Oh, Herr Beauchamp«, entgegnete Morrel, sich verneigend,
»wenn Sie mir versichern, daß Herr von Morcerf diese Waff en nicht kennt, so genügt mir Ihr Wort.«
»Meine Herren«, sagte Château-Renaud, »in dem Wagen ist nicht Morcerf gekommen, sondern Franz und Debray.«
In der Tat kamen die beiden genannten jungen Leute langsam auf die Gruppe zu.
»Sie hier, meine Herren!« sagte Château-Renaud, indem er beiden die Hand drückte, »und durch welchen Zufall?«
»Weil Albert uns heute morgen hat ersuchen lassen, uns an der Stelle des Zweikampfs einzufi nden«, entgegnete Debray.
Beauchamp und Château-Renaud sahen sich erstaunt an.
»Meine Herren«, sagte Morrel, »ich glaube zu verstehen. Gestern nachmittag hat mich Herr von Morcerf briefl ich ersucht, in der Oper zu sein.«
»Mich auch«, sagte jeder der andern Herren.
»Er wollte, daß Sie bei der Herausforderung zugegen wären, und nun sollen Sie auch beim Kampf anwesend sein.«
»Ja«, meinten die jungen Leute, »Sie haben wahrscheinlich richtig geraten.«
»Aber bei alledem kommt Albert nicht«, sagte Château-Renaud;
»er hat sich schon zehn Minuten verspätet.«
»Da ist er«, sagte Beauchamp; »sehen Sie, er kommt in vollem Galopp angeritten, gefolgt von seinem Diener.«
»Welche Unklugheit, zu Pferde zum Pistolenduell zu kommen!«
meinte Château-Renaud. »Ich hatte ihm doch so gute Verhaltungs-maßregeln gegeben.«
Albert war bis auf zehn Schritt an die Gruppe herangeritten. Er stieg vom Pferd, warf seinem Diener die Zügel zu und kam herbei.
Er war bleich, seine Augen waren gerötet und geschwollen; man sah ihm an, daß er keine Minute geschlafen hatte. Ein bei ihm ungewöhnlicher trauriger Ernst war auf seinem Gesicht ausgeprägt.
»Ich danke Ihnen, meine Herren, daß Sie meiner Einladung gefolgt sind«, sagte er; »glauben Sie mir, daß ich diesen Beweis Ihrer Freundschaft zu würdigen weiß.«
Morrel war, als sich Morcerf näherte, etwa zehn Schritt zurückge-treten und hielt sich abseits.
»Auch Ihnen, Herr Morrel, danke ich«, sagte Albert. »Treten Sie nur näher, Sie sind hier nicht überfl üssig.«
»Sie wissen vielleicht nicht, daß ich der Zeuge des Grafen von Monte Christo bin«, entgegnete Morrel.
»Ich war dessen nicht sicher, ahnte es aber. Um so besser, je mehr Ehrenmänner hier sind, um so befriedigter werde ich sein.«
»Herr Morrel«, sagte Château-Renaud. »Sie können dem Herrn Grafen anzeigen, daß Herr von Morcerf angekommen ist und daß wir uns zu seiner Verfügung halten.«
Morrel wollte gehen, um den Grafen zu benachrichtigen; Beauchamp nahm den Pistolenkasten aus dem Wagen.
»Warten Sie, meine Herren«, sagte Albert, »ich habe dem Herrn Grafen von Monte Christo zwei Worte zu sagen.«
»Privat?« fragte Morrel.
»Nein, in Gegenwart aller.«
Alberts Zeugen sahen sich überrascht an. Franz und Debray wechselten leise einige Worte, und Morrel, über diesen unerwarteten Zwischenfall erfreut, suchte den Grafen auf, der in einem Seitenweg mit Emanuel auf und ab ging.
»Was will er von mir?« fragte Monte Christo.
»Ich weiß nicht, aber er wünscht Sie zu sprechen.«
»Oh«, sagte
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