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Der Graf von Monte Christo 2

Der Graf von Monte Christo 2

Titel: Der Graf von Monte Christo 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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von Rührung unterbrochen, zum Grafen: »Oh, Herr Graf, wie konnten Sie, da Sie uns so oft von unserm unbekannten Wohltäter sprechen hörten, da Sie uns die Erinnerung an ihn mit so viel Dankbarkeit und Verehrung pfl egen sahen, wie konnten Sie bis heute warten, um sich zu erkennen zu geben? Oh, das ist grausam gegen uns und, ich möchte fast sagen, gegen Sie selbst.«
    »Mein Freund«, sagte der Graf, »ich kann Sie ja so nennen, denn, ohne es zu ahnen, sind Sie seit elf Jahren mein Freund – die Entdeckung dieses Geheimnisses ist durch ein großes Ereignis herbeigeführt worden, das Ihnen unbekannt bleiben muß. Gott ist mein Zeuge, daß ich es während meines ganzen Lebens in meiner innersten Seele zu verschließen wünschte; Ihr Schwager Maximilian hat es mir gewaltsam entrissen, durch einen Auftritt, den er, wie ich sicher bin, bereut.«
    Als er dann sah, daß Maximilian, immer noch auf den Knien liegend, den Kopf in einem Sessel verborgen hatte, fügte er leise hinzu: »Wachen Sie über ihn«, und er drückte Emanuel bedeutungs-voll die Hand.
    »Warum das?« fragte der junge Mann erstaunt.
    »Ich kann es Ihnen nicht sagen; aber wachen Sie über ihn.«
    Emanuel warf einen Blick im Zimmer umher und bemerkte die Pistolen. Erschrocken sah er diese Waff en an, die er Monte Christo mit dem Finger zeigte. Monte Christo neigte den Kopf. Emanuel machte eine Bewegung zu den Pistolen.
    »Lassen Sie«, sagte der Graf, dann ging er an Morrel heran und nahm dessen Hand; der Aufruhr im Herzen des jungen Mannes hatte einer tiefen Erstarrung Platz gemacht.
    Julie kam wieder herauf. Sie hielt die seidene Börse in der Hand, und zwei Freudentränen liefen ihr über die Wangen.
    »Hier ist die Reliquie«, sagte sie: »glauben Sie nicht, daß sie mir weniger teuer ist, seit uns der Retter off enbart ist.«
    »Mein Kind«, antwortete Monte Christo errötend, »erlauben Sie mir, diese Börse wieder an mich zu nehmen; seitdem Sie die Züge meines Gesichts kennen, will ich nur durch die Liebe, die ich mir zu gewähren bitte, Ihrer Erinnerung vergegenwärtigt werden.«
    »Oh!« sagte Julie, indem sie die Börse ans Herz drückte, »nein, nein, ich bitte Sie darum, sie mir zu lassen, denn Sie könnten uns eines Tages verlassen; Sie werden uns eines Tages verlassen, nicht wahr?«
    »Sie haben richtig geraten«, erwiderte Monte Christo lächelnd;
    »in acht Tagen werde ich dieses Land verlassen haben, wo so viele Leute, die die Rache des Himmels verdient haben, glücklich lebten, während mein Vater vor Hunger und Leid dahinstarb.«
    Monte Christo sah bei diesen Worten Morrel an und bemerkte, daß die Ankündigung seiner bevorstehenden Abreise ihn nicht aus seiner Erstarrung hatte reißen können; er sah ein, daß er einen letzten Kampf mit dem Schmerz seines Freundes zu bestehen haben werde, drückte Julie und Emanuel die Hand und sagte mit dem milden Ernst eines Vaters: »Meine Freunde, lassen Sie mich mit Maximilian allein.«
    Julie freute sich, eine Gelegenheit zu haben, die kostbare Reliquie, von der der Graf nicht mehr gesprochen hatte, wieder mitzunehmen; sie zog deshalb ihren Mann mit sich fort. »Lassen wir sie allein«, sagte sie.
    Als der Graf mit Morrel allein war, der unbeweglich wie eine Statue blieb, berührte er ihn an der Schulter und sagte: »Wirst du endlich wieder ein Mensch, Maximilian?«
    »Ja, denn ich fange wieder an zu leiden.«
    Des Grafen Stirn zog sich zusammen, er schien zu zögern.
    »Maximilian!« sagte er, »diese Gedanken, denen du dich hingibst, sind eines Christen unwürdig.«
    »Oh, beruhigen Sie sich, Freund«, antwortete Morrel, indem er den Kopf hob und dem Grafen sein Gesicht zeigte, auf dem sich eine unsägliche Traurigkeit ausprägte, »ich werde den Tod nicht mehr suchen.«
    »Also keine Tränen, keine Verzweifl ung mehr?« fragte der Graf.
    »Nein, denn ich habe etwas Besseres als den Lauf einer Pistole oder die Spitze eines Dolches, um mich von meinem Schmerz zu heilen.«
    »Armer Narr …! Was hast du denn?«
    »Ich habe meinen Schmerz selbst, der mich töten wird.«
    »Freund«, sagte Monte Christo schwermütig, »hör mich an: In einem Augenblick der Verzweifl ung habe ich wie du mir eines Tages das Leben nehmen wollen; in einer verzweifelten Lage hat dein Vater Hand an sich legen wollen. Hätte man deinen Vater in dem Augenblick, wo er den Lauf der Pistole gegen seinen Kopf richtete, hätte man mir in dem Augenblick, wo ich das Gefängnisbrot, das ich drei Tage lang nicht angerührt hatte,

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