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Der Graf von Monte Christo 2

Der Graf von Monte Christo 2

Titel: Der Graf von Monte Christo 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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hielt eine Droschke vor dem Haus, und die verschleierte Dame stieg rasch die Treppe hinauf. Die Tür öff nete sich und schloß sich wieder, aber die Dame hatte, ehe sich die Tür geschlossen hatte, gerufen: »O Lucien! O
    mein Freund!«
    So erfuhr der Portier, der, ohne es zu wollen, diesen Ausruf gehört hatte, zum erstenmal, daß sein Mieter sich Lucien nannte.
    »Nun, was gibt es, liebe Freundin?« fragte der, dessen Namen die Dame in ihrer Unruhe oder ihrem Eifer off enbart hatte. »Sprechen Sie.«
    »Mein Freund, kann ich auf Sie rechnen?«
    »Gewiß, das wissen Sie doch. Aber was gibt es denn? Ihr Brief von heute morgen hat mich in eine schreckliche Unruhe versetzt; die Schrift war so hastig.«
    »Lucien, ein großes Ereignis!« sagte die Dame, indem sie einen fragenden Blick auf Lucien richtete. »Danglars ist diese Nacht abgereist.«
    »Abgereist! Danglars abgereist! Wohin denn?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Wie, Sie wissen es nicht? Er ist also abgereist, um nicht zurückzukehren?«
    »Jedenfalls. Um zehn Uhr abends ist er in seinem Wagen bis an die Barriere von Charenton gefahren; dort hat er mit seinem Kammerdiener eine Postkutsche bestiegen und seinem Kutscher gesagt, er fahre nach Fontainebleau.«
    »Nun, was sagen Sie denn da?«
    »Warten Sie, mein Freund. Er hat mir einen Brief zurückgelassen.«
    »Einen Brief?«
    »Ja; lesen Sie!«
    Und die Baronin zog einen Brief aus der Tasche, den sie Debray überreichte.
    Debray zögerte einen Augenblick, als ob er den Inhalt des Briefes hätte erraten, oder vielmehr, als ob er vorher hätte zu einem Entschluß kommen wollen. Nach einigen Sekunden hatte er sich jedenfalls sein Handeln für alle Fälle überlegt. Er begann zu lesen.
    Der Brief, der Frau Danglars so beunruhigt hatte, lautete:
    »Sehr treue Gattin!«
    Debray hielt unwillkürlich inne und sah die Baronin an, die tief-rot wurde.
    »Lesen Sie«, sagte sie.
    Debray las weiter:
    »Wenn Sie diesen Brief erhalten, werden Sie keinen Gatten mehr haben. Erschrecken Sie nicht zu sehr, Sie werden keinen Gatten mehr haben, wie Sie keine Tochter mehr haben, das heißt, ich werde mich auf einer der dreißig oder vierzig Straßen befi nden, die aus Frankreich hinausführen.
    Ich bin Ihnen eine Erklärung schuldig, und da Sie die Frau sind, um sie vollständig zu verstehen, so werde ich sie Ihnen geben. Hören Sie also:
    Ich hatte heute morgen eine Zahlung von fünf Millionen zu leisten und habe sie geleistet; fast sofort darauf sollte ich dieselbe Summe zahlen, habe die Zahlung aber auf morgen verschoben; um dieses Morgen zu vermeiden, das mir unerträglich wäre, reise ich heute ab.
    Sie verstehen das, nicht wahr?
    Ich sage, Sie verstehen, weil Sie um meine Angelegenheiten ebensogut Bescheid wissen wie ich, Sie wissen im Geschäft sogar besser Bescheid als ich; denn sollte ich sagen, wohin eine gute Hälfte meines einst ganz hübschen Vermögens gegangen ist, so würde ich es nicht können, während Sie, davon bin ich überzeugt, vollkommen Rechnung darüber ablegen könnten.
    Denn die Frauen haben Instinkte von einer unfehlbaren Sicherheit; sie erklären sich durch eine von ihnen selbst erfundene Rechenweise das Wunder selbst. Ich, der ich nur meine Ziff ern kannte, habe an dem Tag, wo mich meine Ziff ern getäuscht haben, nichts mehr ge-wußt.
    Haben Sie sich zuweilen über die Schnelligkeit meines Sturzes ge-wundert? Sind Sie von dem Zusammenschmelzen meiner Barren ein wenig geblendet worden? Ich muß gestehen, daß ich nur Feuer wahrgenommen habe; hoff en wir, daß Sie noch etwas Gold in der Asche gefunden haben.
    Mit dieser tröstenden Hoff nung gehe ich von Ihnen, ohne daß mein Gewissen mir den geringsten Vorwurf macht; es bleiben Ihnen Ihre Freunde, die Asche, von der ich soeben sprach, und um Ihr Glück vollständig zu machen, die Freiheit, die ich Ihnen wiederzugeben mich beeile.
    Indessen ist der Augenblick gekommen, ein Wort der Erklärung über unser persönliches Verhältnis einzuschalten. Solange ich gehoff t habe, daß Sie am Wohl unseres Hauses arbeiteten, am Vermögen unsrer Tochter, habe ich die Augen geschlossen, da Sie aber aus dem Haus eine große Ruine gemacht haben, will ich nicht mehr als die Grundlage des Vermögens andrer dienen.
    Ich habe Sie reich, aber wenig geehrt geheiratet. Entschuldigen Sie, daß ich so freimütig spreche, aber da ich wahrscheinlich nur für uns beide spreche, so sehe ich nicht ein, weshalb ich nicht of-fen sein soll.
    Ich habe unser Vermögen vermehrt, und es

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