Der Graf von Monte Christo 2
Exzellenz«, sagte Peppino, indem er ihm ein kleines Messer mit stumpfer Spitze und eine Gabel aus Buchsbaumholz anbot.
Danglars nahm das Messer in die eine, die Gabel in die andre Hand und schickte sich an, das Huhn zu zerschneiden.
»Verzeihen Sie, Exzellenz«, sagte Peppino, indem er dem Bankier die Hand auf die Schulter legte; »hier bezahlt man vor dem Essen; man könnte beim Fortgehen nicht zufrieden sein …«
»Ah, ah«, murmelte Danglars, »das ist nicht mehr wie in Paris, ganz abgesehen davon, daß sie mir wahrscheinlich das Fell über die Ohren ziehen wollen; doch seien wir nobel. Laß sehen, ich habe immer von der Billigkeit des Lebens in Italien sprechen hören; ein Huhn muß in Rom zwölf Sous wert sein. Da«, sagte er und warf Peppino einen Louisdor hin.
Peppino nahm fl ink den Louisdor auf. Danglars wollte das Huhn nun anschneiden.
»Einen Augenblick, Exzellenz«, sagte Peppino, indem er sich wieder aufrichtete, »einen Augenblick, Eure Exzellenz schulden mir noch etwas.«
»Sagte ich’s nicht, daß sie mich schinden würden!« murmelte Danglars.
»Eure Exzellenz haben einen Louisdor angezahlt.«
»Einen Louisdor angezahlt? Auf ein Huhn?«
»Gewiß, angezahlt.«
»Gut … weiter!«
»Eure Exzellenz schulden mir noch viertausendneunhundertneun-undneunzig Louisdors.«
Danglars riß bei diesem ungeheuerlichen Scherz seine Augen gewaltig auf.
»Ah, sehr drollig«, murmelte er, »wahrhaftig, sehr drollig!« Und er wollte sich wieder daranmachen, das Huhn zu zerschneiden; aber Peppino hielt ihm mit der linken die rechte Hand fest und streckte seine rechte Hand aus.
»Geben Sie«, sagte er.
»Was! Sie spaßen nicht?« fragte Danglars.
»Wir spaßen nie, Exzellenz«, entgegnete Peppino ernst wie ein Quäker.
»Wie, hunderttausend Franken für dieses Huhn!«
»Exzellenz glauben nicht, welche Mühe es macht, in diesen verwünschten Höhlen Gefl ügel zu ziehen.«
»Nun«, sagte Danglars, »ich fi nde das sehr komisch und unterhaltend, wahrhaftig; aber da ich großen Hunger habe, so lassen Sie mich essen. Da ist noch ein Louisdor für Sie, mein Freund.«
»Dann sind es nur noch viertausendneunhundertachtundneunzig Louisdors«, sagte Peppino mit unerschütterlicher Ruhe; »mit Geduld werden wir schon ans Ziel kommen.«
»Gehen Sie zum Teufel, Sie wissen nicht, mit wem Sie es zu tun haben!« entgegnete Danglars empört.
Peppino machte ein Zeichen, der junge Mensch streckte beide Hände aus und nahm das Huhn wieder fort. Danglars warf sich auf sein Lager, Peppino schloß die Tür und aß seine Speckerbsen weiter.
Danglars glaubte, sein Magen sei wie das durchlöcherte Faß der Danaiden; er dachte nicht, daß es ihm je gelingen würde, ihn wieder zu füllen.
Eine halbe Stunde verging, die ihm eine Ewigkeit zu sein schien.
Er stand auf und ging wieder an die Tür.
»Hören Sie, mein Herr«, sagte er, »lassen Sie mich nicht länger schmachten und sagen Sie mir sofort, was man von mir will.«
»Aber, Exzellenz, sagen Sie vielmehr, was Sie von uns wollen …
Erteilen Sie Ihre Befehle, und wir werden sie ausführen.«
»Dann öff nen Sie mir zuerst.«
Peppino öff nete.
»Zum Teufel, ich will essen!« sagte Danglars.
»Sie haben Hunger?«
»Das wissen Sie ja.«
»Was wünschen Eure Exzellenz zu essen?«
»Ein Stück trocknes Brot, da die Hühner in diesen verwünschten Kellern unbezahlbar sind.«
»Brot, gut«, sagte Peppino. »Holla! Brot!« schrie er.
Der Bursche brachte ein kleines Brot.
»Da«, sagte Peppino.
»Kostet?« fragte Danglars.
»Viertausendneunhundertachtundneunzig Louisdors. Zwei Louisdors sind im voraus bezahlt.«
»Wie, ein Brot hunderttausend Franken?«
»Hunderttausend Franken«, sagte Peppino.
»Sie haben ja aber nur hunderttausend Franken für ein Huhn gefordert!«
»Wir servieren nicht nach der Speisekarte, sondern zu festen Preisen. Ob man wenig oder viel ißt, ob man zehn Gerichte oder eins bestellt, der Preis ist immer derselbe.«
»Wieder dieser Scherz! Mein lieber Freund, ich erkläre Ihnen, daß das abgeschmackt und dumm ist! Sagen Sie mir sofort, daß Sie wollen, daß ich verhungere, dann sind wir fertig!«
»Aber nein, Exzellenz, Sie selbst wollen sich umbringen. Zahlen Sie, so können Sie essen.«
»Womit zahlen, Schafskopf?« fragte Danglars aufgebracht. »Glaubst du, daß man hunderttausend Franken in der Tasche hat?«
»Sie haben fünf Millionen fünfzigtausend Franken in der Tasche, Exzellenz«, entgegnete Peppino; »das macht fünfzig
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