Der Graf von Monte Christo 2
Mondego.«
»Sind Sie dessen sicher?«
»Ich habe oft genug Fische von ihm gekauft, um ihn zu kennen.«
»Warum geben Sie ihm dann Ihre Tochter?«
»Weil Ferdinand und Danglars als zwei Emporkömmlinge, beide geadelt, beide reich geworden, einer so viel wert ist wie der andere, gewisse Dinge indessen ausgenommen, die man von ihm sagt, die man aber niemals von mir gesagt hat.«
»Was denn?«
»Nichts.«
»Ah ja, ich verstehe; ich habe den Namen in Griechenland ge-hört.«
»Im Zusammenhang mit der Geschichte Ali Paschas?«
»Ganz recht.«
»Da liegt das Geheimnis«, entgegnete Danglars, »und ich gestehe, daß ich viel darum gegeben hätte, es aufzudecken.«
»Das wäre nicht so schwer, wenn Ihnen so viel daran liegt.«
»Wie das?«
»Sie haben jedenfalls irgendeinen Korrespondenten in Griechenland?«
»Ich dächte!«
»In Janina?«
»Überall …«
»Nun, so schreiben Sie an Ihren Korrespondenten in Janina und fragen Sie ihn, was für eine Rolle ein Franzose namens Ferdinand bei dem Untergang Ali Tebelins gespielt habe.«
»Sie haben recht«, rief Danglars, indem er rasch aufstand; »ich werde noch heute schreiben.«
»Tun Sie das.«
»Ich werde es tun.«
»Und wenn Sie irgend etwas recht Skandalöses erfahren …«
»Teile ich es Ihnen mit.«
»Sie werden mir ein Vergnügen bereiten.«
Danglars eilte aus dem Zimmer und war mit einem Satz im Wagen.
D A S
Frau Danglars hatte um Mittag ihren Wagen bestellt und war aus-gefahren. Der Wagen schlug die Richtung zum Faubourg Saint-Germain ein; an der Passage des Pont-Neuf ließ sie halten, stieg aus und ging durch die Passage. Sie war sehr einfach gekleidet, wie es sich für eine Dame von Geschmack, die am Vormittag ausgeht, gehört. In der Rue Guénégaud stieg sie in eine Droschke und ließ sich zum Justizpalast fahren.
Kaum war sie im Wagen, zog sie einen dichten schwarzen Schleier aus der Tasche und befestigte ihn an ihrem Strohhut; als sie sich dann in ihrem Taschenspiegel betrachtete, sah sie befriedigt, daß man ihr Gesicht auf diese Weise nicht erkennen konnte.
Im Justizpalast achtete man auf Frau Danglars nicht mehr als auf ein Dutzend andre Frauen, die auf ihre Advokaten warteten.
Das Vorzimmer des Herrn von Villefort war voller Leute; aber Frau Danglars brauchte nicht einmal ihren Namen zu nennen; sobald sie erschien, erhob sich ein Gerichtsdiener, kam auf sie zu und fragte sie, ob sie die Person sei, die der Herr Staatsanwalt zu einer Unterredung bestellt habe. Auf ihre bejahende Antwort führte er sie durch einen besonderen Korridor in das Arbeitszimmer des Herrn von Villefort.
Der Staatsanwalt schrieb, in seinem Lehnstuhl sitzend, den Rücken der Tür zugewandt. Er hörte die Tür aufgehen, den Gerichtsdiener sagen: »Treten Sie ein, gnädige Frau!«, und die Tür wieder schließen, ohne eine Bewegung zu machen; kaum aber hatte der Gerichtsdiener das Zimmer verlassen, drehte er sich rasch um, ging an die Tür, schob den Riegel vor, zog die Vorhänge zu und musterte jeden Winkel des Zimmers.
Als er die Gewißheit hatte, daß er weder gesehen noch gehört werden konnte, sagte er: »Ich danke Ihnen für Ihre Pünktlichkeit.«
Er bot Frau Danglars einen Stuhl an, und sie setzte sich. Das Herz schlug ihr so heftig, daß sie beinahe erstickte.
Der Staatsanwalt drehte seinen Sessel herum und sagte, indem er sich gleichfalls setzte: »Es ist eine lange Zeit, daß ich nicht das Glück gehabt habe, allein mit Ihnen zu plaudern, und zu meinem großen Bedauern kommen wir zusammen, um eine recht peinliche Unterhaltung zu führen.«
»Sie sehen jedoch, daß ich sofort zu Ihnen geeilt bin, obgleich diese Unterhaltung doch gewiß für mich noch peinlicher ist als für Sie.«
Villefort lächelte bitter. »Es ist also wahr«, sagte er, mehr auf seine eigenen Gedanken als auf die Worte der Frau Danglars antwor-tend, »es ist also wahr, daß alle unsre Handlungen ihre Spuren zu-rücklassen, die einen fi nstere, die andern leuchtende; daß alle unsre Schritte in diesem Leben dem Gang des Reptils im Sande gleichen und eine Furche ziehen. Ach, für viele ist diese Furche die Spur ihrer Tränen!«
»Sie begreifen meine Erregung, nicht wahr?« entgegnete Frau Danglars. »Schonen Sie mich also, bitte. Dieses Zimmer, wo so viele Schuldige zitternd und voll Scham geweilt haben, dieser Stuhl, in den ich mich gleichfalls zitternd und voll Scham niedersetze …!
Oh,
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