Der Graf von Monte Christo 2
Klubs gingen schweigend auseinander.
›Wohin sollen wir Sie fahren?‹ fragte der Präsident den General.
›Nach jedem Ort, wo ich von Ihrer Anwesenheit befreit sein werde‹, erwiderte Herr von Epinay.
›Herr General‹, sagte der Präsident, ›nehmen Sie sich in acht, äußern Sie keine Beleidigungen, sonst wird man Sie zur Rechenschaft ziehen.‹
›Sie sind in Ihrem Wagen immer noch so tapfer wie in Ihrem Klub‹, erwiderte der General, ›weil vier Mann stärker sind als ein einzelner.‹
Der Präsident ließ halten. Sie befanden sich gerade am Anfang des Quai des Ormes, neben der Treppe, die zum Fluß hinunterführt.
›Weshalb lassen Sie hier halten?‹ fragte Herr von Epinay.
›Weil Sie einen Mann beleidigt haben‹, erwiderte der Präsident,
›und weil dieser Mann keinen Schritt mehr vorwärts tun will, ohne Genugtuung von Ihnen erlangt zu haben. Sie haben einen Degen an Ihrer Seite, ich habe einen in diesem Stock. Einer dieser Herren wird Ihr Zeuge sein. Jetzt können Sie Ihre Binde abnehmen.‹
Der General riß das Tuch ab, mit dem ihm die Augen verbunden waren.
›Jetzt werde ich endlich wissen, mit wem ich es zu tun habe‹, sagte er.
Der Wagen wurde geöff net, die vier Männer stiegen aus und gingen die Treppe zum Fluß hinunter.
Einer der Zeugen holte eine Laterne aus einem Kohlenschiff und stellte sie auf die Erde. Die beiden Gegner traten an, und der Kampf begann.
Dreimal wich der General zurück, da ihn sein Gegner zu heftig bedräng-te, und dreimal griff er wieder an. Beim drittenmal fi el er. Die Zeugen näherten sich ihm und wollten ihm aufhelfen, da sie glaubten, daß er nur ausgeglitten sei. Aber als sie ihn anfaßten, fühlten sie eine warme Feuchtigkeit. Das war Blut. Fünf Minuten später gab der General von Epinay seinen Geist auf.
Der Präsident stieg die Treppe wieder hinauf. Kaum war er oben, hörte er einen dumpfen Fall. Die Zeugen hatten die Leiche des Generals ins Wasser geworfen, nachdem sie den Tod festgestellt hatten.
Der General ist also in ehrlichem Zweikampf gefallen und nicht durch Meuchelmord, wie man annehmen könnte.
Zur Bestätigung dieses Tatbestandes haben wir das vorliegende Protokoll unterzeichnet, um den wahren Hergang des Ereignisses festzuhalten, für den Fall, daß einer der Beteiligten eines Tages wegen vorbedachten Mordes oder wegen einer ehrlosen Handlungsweise angeklagt würde.
Gezeichnet: Beaurepaire, Duchampy, Lecharpal.«
Als Franz dieses Protokoll zu Ende gelesen hatte, das so fürchterliche Enthüllungen für ihn enthielt, wandte er sich an Noirtier.
»Mein Herr«, sagte er, »da Sie diese furchtbare Sache in allen Einzelheiten kennen, so schlagen Sie mir eine Bitte nicht ab und nennen Sie mir den Namen des Präsidenten, damit ich endlich weiß, wer meinen armen Vater getötet hat.«
Noirtier gab seine Bereitwilligkeit zu erkennen und blickte auf das Wörterbuch, das stets zur Verständigung neben ihm lag. Franz nahm es mit einem nervösen Zittern und nannte nacheinander die Buchstaben des Alphabets bis I.
Bei diesem Buchstaben machte der Greis das Zeichen der Bejahung.
»I«, wiederholte Franz. Der Finger des jungen Mannes glitt über einige Worte hin, bis er bei »Ich« angelangt war.
Bei diesem Wort machte der Greis wieder das bejahende Zeichen.
»Sie«, rief Franz, dessen Haar sich sträubte, »Sie haben meinen Vater getötet?«
»Ja«, machte der Greis und sah ihn fest an.
Franz fi el kraftlos in einen Sessel. Villefort öff nete die Tür und entfl oh. Er hätte den Greis ermorden können.
A T
Nach einem Besuch bei Danglars hatte der Graf von Monte Christo Albert von Morcerf eingeladen, ein Stündchen mit ihm zu plaudern.
Sobald sie in der Wohnung des Grafen waren, ließ der Graf Tee und zwei türkische Pfeifen bringen. Während sie rauchten, erklangen plötzlich Töne, die denen einer Gitarre ähnlich waren.
»Was ist das?« fragte Albert.
»Das ist die Guzla Haidees«, erwiderte der Graf.
»Haidee, welch reizender Name! Wer ist sie?«
»Sie ist meine Sklavin.«
»Scherzen Sie nicht? Gibt es wirklich noch Sklavinnen?«
»Sie sehen es!«
»Sklavin des Grafen von Monte Christo! Das ist eine hervorragende Stellung in Frankreich. Nach der Art zu urteilen, wie Sie das Geld ausgeben, werden Sie fünfhunderttausend Franken im Jahr für sie aufwenden.«
»Fünfhunderttausend Franken! Das arme Kind hat mehr als das besessen. Sie war von Schätzen umgeben, neben denen die Schätze aus
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