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Der Graf von Monte Christo

Der Graf von Monte Christo

Titel: Der Graf von Monte Christo Kostenlos Bücher Online Lesen
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Richter hienieden, wie dies Gott dort oben sein mag ... Werden Sie mir nun nicht einige Worte des Trostes sagen?
    Sie haben recht, ich kann Ihnen sagen, was der Abbé Busoni sagen würde: Der, welcher Sie mißhandelt hatte, Villefort, verdient eine Strafe für das, was er Ihnen getan, und vielleicht noch für etwas anderes. Benedetto aber wird, falls er lebt, zu einer göttlichen Rache dienen. Sie aber haben sich in Wahrheit nur einen Vorwurf zu machen: Fragen Sie sich, warum Sie das Kind, nachdem Sie es dem Tode entrissen, nicht seiner Mutter zurückgegeben haben! Hierin liegt Ihr Verbrechen, Bertuccio.
    Ja, Herr Graf, das ist mein Verbrechen, denn ich bin hierbei feig gewesen; hatte ich das Kind einmal ins Leben zurückgerufen, so blieb nur eins zu tun: ich mußte es, wie Sie sagen, seiner Mutter zurückschicken. Aber zu diesem Behufe hätte ich auch Nachforschungen anstellen, die Aufmerksamkeit auf mich ziehen, mich vielleicht preisgeben müssen. Ich wollte aber nicht sterben, ich hing meiner Schwägerin wegen am Leben, vielleicht auch nur aus Liebe zu eben diesem Leben. Oh, ich bin kein Tapferer, wie mein armer Bruder!
    Bertuccio verbarg sein Gesicht in seinen beiden Händen, und Monte Christo heftete einen langen, unbeschreiblichen Blick auf ihn.
    Dann nach einem kurzen Stillschweigen, das durch die Stunde und den Ort noch feierlicher wurde, sagte der Graf mit einem bei ihm ungewöhnlichen Tone der Schwermut:
    Herr Bertuccio, erinnern Sie sich stets folgender Worte, ich habe sie oft vom Abbé Busoni aussprechen hören: Für jedes Übel gibt es zwei Mittel, die Zeit und das Stillschweigen. Lassen Sie mich nur eine Minute im Garten spazierengehen. Was für Sie, die handelnde Person, bei dieser furchtbaren Szene eine schmerzhafte Erschütterung hervorbringen muß, wird für mich eine beinahe sanfte Empfindung sein und diesem Gute einen doppelten Wert verleihen. Die Bäume gefallen mir, weil sie Schatten geben, und der Schatten gefällt mir, weil er voll von Träumen und Gesichten ist. Sehen Sie, ich habe einen Garten gekauft und glaubte nur einen von Mauern eingeschlossenen Raum zu kaufen; es findet sich aber, daß dieser Raum von Schreckbildern bevölkert ist, die gar nicht im Vertrage aufgeführt sind. Jedoch ich liebe diese Geister; meines Wissens haben die Toten in sechstausend Jahren nicht so viel Böses getan, wie die Lebenden an einem einzigen Tage. Kehren Sie also zurück und schlafen Sie in Frieden! Ist Ihr letzter Beichtiger minder nachsichtig, als es der Abbé Busoni war, so lassen Sie mich kommen, wenn ich noch auf der Welt bin, und ich werde Worte finden, die Ihre Seele in jeder Minute sanft einwiegen lassen, wo sie bereit ist, sich auf die große Reise zu machen, die man die Ewigkeit nennt.
    Bertuccio verbeugte sich ehrfurchtsvoll vor dem Grafen und entfernte sich nach einem tiefen Seufzer. Nach einem Gange durch den Garten kehrte der Graf zu seinem Wagen zurück. Bertuccio stieg, ohne ein Wort zu sagen, auf den Bock neben den Kutscher. Der Wagen schlug wieder den Weg nach Paris ein.
    Noch an demselben Abend, unmittelbar nach seiner Ankunft in dem Hause der Champs-Elysées, besichtigte Monte Christo die ganze Wohnung, wie es nur ein seit langen Jahren damit vertrauter Mensch hätte tun können. Nicht ein einziges Mal öffnete er, obgleich er allein ging, eine Tür statt einer andern, wählte er eine Treppe oder eine Flur, die ihn nicht dahin führte, wohin er gehen wollte. Ali begleitete ihn bei dieser nächtlichen Schau. Der Graf gab Bertuccio mehrere Befehle für die Verschönerung und Einteilung der Zimmer; dann zog er seine Uhr und sagte zu dem aufmerksamen Nubier: Es ist halb zwölf Uhr. Haydee muß bald kommen. Hat man die französischen Frauen davon in Kenntnis gesetzt?
    Ali streckte die Hand nach der für die schöne Griechin bestimmten Wohnung aus, die so abgesondert und durch eine Tapetentür verborgen war, daß man das ganze Haus besichtigen konnte, ohne zu vermuten, daß es hier noch einen Salon und zwei bewohnte Zimmer gab. Ali streckte also die Hand nach dieser Wohnung aus, deutete die Zahl drei mit den Fingern seiner linken Hand an, legte dann den Kopf auf die wieder flach gemachte Hand und schloß die Augen, als schliefe er.
    Oh! sagte Monte Christo, der an diese Sprache gewöhnt war, es sind ihrer drei, und sie warten im Schlafzimmer, nicht wahr?
    Ali bejahte, indem er mit dem Kopfe nickte.
    Madame wird heute abend müde sein und ohne Zweifel schlafen wollen; veranlasse sie nicht zum

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