Der Graf von Sainte-Hermine - Dumas, A: Graf von Sainte-Hermine - Le Chevalier de Sainte-Hermine
niedergebrannt.
Eine Stunde später war ein seltsames Schauspiel zu sehen: Die Geistlichkeit ging voran, gefolgt von den Vertretern der Behörden, und diesen folgte die ganze Bevölkerung, um einem Anführer von Briganten zu huldigen und ihn auf den Knien und mit gefalteten Händen um Gnade zu bitten. Taccone ließ sie eine Weile die Demütigung auskosten und beschied sie dann mit der Großherzigkeit eines Alexander, der die Familie des unterlegenen Dareios aus dem Staub aufhebt, in den sie sich vor ihm geworfen hat: ›Erhebt euch, ihr Unseligen, denn ihr seid meines Zorns nicht würdig; gnade euch Gott, wenn ich zu einer anderen Zeit gekommen wäre, doch heute ist mein Herz dem Erbarmen geöffnet, da ich mich mithilfe der Heiligen Jungfrau von meinen Feinden befreien konnte; heute ist ein Festtag und ein Tag des Triumphs für alle Gerechten, und an diesem Tag will ich mich nicht mit eurem Blut besudeln, obwohl eure schändlichen Ansichten mich drängen, es zu vergießen. Aber freut euch nicht zu früh, denn gänzlich straffrei werdet ihr nicht ausgehen: Weil ihr euch gegen euren König empört habt und weil ihr euren Gott verleugnet habt, werdet ihr innerhalb einer Stunde die Steuer entrichten, die mein Sekretär euch nennen wird. Auf, erhebt euch und schickt Boten in die Stadt, damit ein meines Sieges würdiges Fest ausgerichtet wird; alle, die ihr hier weilt, werdet ihr mich begleiten und Lobgesänge singen, bis wir die Kathedrale erreichen, wo Monsignore ein Tedeum anstimmen wird, um dem Allerhöchsten für den Sieg unserer Waffen zu danken. Und jetzt auf die Beine und vorwärts!‹
Das Volk sang die heiligen Hymnen im Chor zusammen mit den Banditen, Olivenzweige in Händen, und Taccone näherte sich dem Dom auf einem Pferd, das mit Glöckchen, Federn und einer seidenen Pferdedecke herausgeputzt war, während er das Tedeum sang. Als die Steuer bezahlt war, machte die Bande sich aus dem Staub, doch nicht ohne eine weit kostbarere Beute als Gold und Silber mitzunehmen.
Beim Betreten der Stadt blickte der Triumphator hocherhobenen Kopfes neugierig in Fenster und Türen, als suchte er im Inneren der Häuser nach etwas.
Ein junges Mädchen hob schüchtern den Vorhang eines Fensters und zeigte sein Gesicht voll Liebreiz der Jugend und der Schönheit. Da hielt der Bandit sein Pferd an und heftete seinen Blick auf das junge Geschöpf; er hatte gefunden, was er suchte.
Als hätte es verstanden, dass es verloren war, trat das Mädchen einen Schritt zurück und bedeckte sein Gesicht mit den Händen.
Taccone sagte leise etwas zu zweien seiner Männer, und sie gingen in das Haus.
Als Taccone die Kirche verließ, sah er einen Greis vor sich, den Großvater des jungen Mädchens, dessen Vater tot war. Er war gekommen, um Taccone anzubieten, das junge Mädchen um jeden Preis auszulösen.
›Du irrst dich, Alterchen‹, sagte Taccone, ›mit meinem Herzen lasse ich nicht feilschen; deine Enkelin ist schön, ich liebe sie; sie will ich und nicht dein Geld.‹<
Der alte Mann wollte Taccone in den Arm fallen, doch dieser stieß ihn mit einem Faustschlag von sich; er kniete vor dem Briganten nieder, doch der stellte ihm einen Fuß auf die Schulter und warf ihn zu Boden, und dann bestieg er sein Pferd. Das in Tränen aufgelöste Mädchen wurde vor ihm über den Sattel gelegt, und dann verließ er die Stadt im Schritt, ohne dass jemand sich diesem Menschenraub zu widersetzen versucht hätte, und entführte die Jungfrau, die keine anderen Küsse als die ihrer Mutter gekannt hatte.
Das junge Mädchen wurde nie wieder in Potenza gesehen.
Taccone reihte als Bandit Erfolg an Erfolg; als er Potenza verließ, machte er sich auf den Weg zum Schloss des Barons Federici, eines erklärten Gegners der Bourbonen.
Obwohl der Baron aus heiterem Himmel überfallen wurde, blieb ihm genug Zeit, die Schlosstore zu schließen, nachdem er einige seiner Vasallen hereingeholt hatte; die Heftigkeit der Angreifer erwiderte er mit verbissenem Widerstand.
Der Kampf währte von morgens bis abends, und nicht wenige Tote blieben am Fuß der Schlossmauern liegen.
Doch das Unglück der Belagerten wollte, dass sie abends feststellen mussten, dass ihnen bei einem so erbittert fortgeführten Kampf die Munition am nächsten Nachmittag ausgehen würde.
Die Banditen begrüßten den Tagesanbruch mit einer entsetzlichen Gewehrsalve; nachdem sie eine Stadt eingenommen hatten, ohne einen einzigen Schuss abgegeben zu haben, empfanden sie es als Schmach, vor
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