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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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Liufs Guth! « keuchte sie.
    3
    Wieder angekleidet kehrte ich in das Zimmer zurück, in dem Eleon, der Schreiber wartete, und ging dort wieder einige Male auf und ab, während ich den Abtretungsvertrag für Singidunum diktierte. Aus meinen eigenen Tagen als Schreiberling erinnerte ich mich an alle formellen
    Grußfloskeln und blumenreichen Phrasen, mit denen man
    einen solchen Schriftverkehr einleitete. Doch als es um den Kern der Angelegenheit ging, fiel mir nichts besseres ein als die einfache Formulierung: »Für erwiesene Gegenleistungen trete ich, Theoderich, König der Ostgoten, meinen Anspruch an der Stadt Singidunum in Moesia Prima an Sebastos
    Zeno, Kaiser des oströmischen Reiches, ab.
    Zum Abschluß verstreute Eleon Sand über das Dokument,
    blies ihn weg und überreichte mir einen frisch angefertigten, unbenutzten Federkiel, mit dem ich meinen Namen und Titel unter das Dokument setzen sollte. Ich schrieb nicht
    annähernd so schön wie er, lobte jedoch über alle Maßen die Qualität des Pergaments, auf das ich meine Unterschrift setzte. »Oua, für einen kaiserlichen Hof kommen natürlich nur die kostspieligsten Materialien in Frage«, sagte er stolz.
    »Könnte ich wohl...« sagte ich in bescheidener
    Zurückhaltung. »Meint Ihr, ich könnte Euch um ein Blatt dieses Pergaments bitten, Schreiber, um zu Hause unseren Schriftgelehrten zeigen zu können, wie viel edlere
    Materialien Euch hier zur Verfügung stehen?«
    »Aber sicher, sicher, Gesandter. Ich brachte zwei Blätter mit, für den Fall, daß ich die Schrift auf dem einen
    verwischen würde, was dann aber doch nicht geschah.«
    Ich dankte ihm überschwenglich, rollte mit großer Sorgfalt das Pergament zusammen und steckte es dann in die
    Vorderseite meiner Tunika. Ich brachte Eleon gerade zur Tür, als er einen anderen schmächtigen alten Mann
    namentlich begrüßte, der gerade ankam: »Khaire, Arta. Seid Ihr bereits fertig mit des Kaisers Vertrag? Dann werde ich auf Euch warten, damit wir gemeinsam zum Palast
    zurückkehren können.«
    Dieser zweite Grammateus kam in Begleitung des
    Übersetzers Seuthes, der fragte, ob er mir laut vorlesen solle, was Zeno geschrieben habe, und falls ja, in welcher Sprache? Ich sagte, Griechisch sei in Ordnung. Er entrollte das Dokument und deklamierte mit der entsprechenden
    Gestik:
    »Der Sebastos Zeno Isaurios, Basileus des römischen
    Reiches im Osten - der fromme, begnadete, siegreiche, stets erhabene Zeno, berühmter Eroberer der Anten, Avaren und Kutriguren -
    entbietet aus seinem neuen Rom,
    Konstantinopel, ein Heil! dem Thiudareichs Amaling, Sohn des Thiudamer Amaling, und seinen Generälen, Senatoren, Konsulen, Praetoren, Tribunen und Marschällen. Heil! Wenn Ihr bei guter Gesundheit seid und auch die, die Euch
    nahestehen, freuen wir uns. Ich und die mir Nahestehenden befinden sich ebenfalls bei guter Gesundheit.«
    Dann befaßte sich das Schriftstück mit der anstehenden Angelegenheit. Zeno hatte tatsächlich alles eingehalten, was er versprochen hatte - die Ländereien in Moesia Secunda, die jährliche Zahlung in Gold, den Oberbefehl über die Grenzstreitkräfte. Ich nickte und sagte: »Ich akzeptiere das Dokument. Ich vertraue darauf, daß auch Zeno mit der von mir abgefaßten Übertragungsurkunde einverstanden sein
    wird.«
    Seuthes gab den Vertrag dem Grammateus Arta zurück,
    der ihn nicht aufrollte, sondern äußerst kompliziert
    zusammenfaltete. Dann nahm Seuthes eine purpurne Kerze von einem Wandleuchter und ließ geschmolzenes Wachs
    auf drei verschiedene Stellen des gefalteten Pergaments tropfen. Arta holte aus seinen Gewändern das schwere
    goldene Siegel des Kaisers hervor und prägte diese drei Stellen mit dem verschnörkelten Buchstaben Zeta.
    Anschließend reichte er mir die kompakte Rolle.
    »Ich danke Euch, Ihr guten Männer«, sagte ich. »Ich und meine Begleiter sind bereit, aufzubrechen, sobald Euer Kaiser uns mitteilen läßt, daß er mit meinem eigenen
    Dokument einverstanden ist. Falls er es befiehlt, schon morgen früh bei Tagesanbruch. Wir werden die Urkunde auf dem schnellsten Weg zu König Theoderich bringen. Seid so freundlich, ihm das zu bestellen.«
    Als sie gegangen waren, setzte ich mich an einen kleinen Tisch und betrachtete sinnend den verpackten Vertrag. Ich nahm aus meiner Tunika das unbeschriebene Pergament,
    das mir Eleon gegeben hatte; es war in Bezug auf Größe, Farbton und Qualität mit dem anderen identisch. Ich hätte Zenos schwungvolle Unterschrift ganz

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