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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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so
    geübt, daß ich ab und zu ein Eichhörnchen oder einen
    Schneehasen zur Strecke brachte, doch es gab nicht viele Eichhörnchen, und die Hasen mit ihrem weißen Fell waren auf dem Schnee kaum zu erkennen. In den kleinen
    Bergbächen fand ich keine großen Fische, nur Elritzen. Mir war oft schlecht vor Hunger, aber von meiner Wurst aß ich trotzdem nur selten. Sie sollte möglichst lange halten, außerdem machte sie mich ungeheuer durstig. Ich hatte
    geglaubt, den Durst stillen zu können, indem ich Schnee aß, aber das gelang mir zu meiner Verwunderung nicht. Deshalb aß ich von der Wurst nur dann, wenn ich an einem Bach
    lagerte, der so groß war, daß er unter der Eisschicht Wasser führte.
    Mein Juikabloth zeigte mir schließlich, wie ich leichter an Nahrung herankam. Der Adler war immer wohlgenährt und
    schien niemals weit oder lange fliegen zu müssen, um seine Beute zu schlagen. Ich beobachtete ihn und fand heraus, daß er Felsspalten nach Schlangen und Eidechsen
    durchsuchte, die dort Winterschlaf hielten. Manchmal stieß er auf ganze Nester von Schlangen, die sich ineinander verschlungen gegenseitig wärmten.
    Ich tat es also dem Vogel gleich und stocherte auf meiner mühsamen Wanderung immer wieder mit einem langen
    Stecken im tiefen Schnee. Manchmal entdeckte ich eine
    kleine Höhle im Felsen oder eine Spalte im Boden, in der ein Igel, eine Haselmaus oder eine Schildkröte Winterschlaf hielten. Am meisten freute ich mich, wenn ich ein Murmeltier fand. Murmeltierfleisch ist schmackhaft und enthält viel Fett, welches ich zur Erhaltung meiner Körperwärme dringend
    benötigte. Außerdem findet man in der Höhle eines
    Murmeltiers immer Nüsse, Wurzeln, Samen und trockene
    Beeren, die das Tier als Vorrat angeschafft hat für den Fall, daß es zu früh aufwacht. Sie ergeben eine köstliche
    zusätzliche Mahlzeit.
    Ich erlebte jedoch auch viele Tage, an denen ich glaubte, verhungern oder verdursten zu müssen, und viele Nächte, in denen ich fast erfror. Immer wieder hoffte ich, Alemannen zu begegnen, denen ich mich anschließen und bei denen ich das Jagen und das Leben des Nomaden lernen konnte.
    Gelegentlich entdeckte ich unterwegs Spuren, die darauf hindeuteten, daß schon vor mir irgend jemand hiergewesen sein mußte, allerdings vor längerer Zeit. Manchmal waren es nur einige gespaltene Steine, und erst bei näherem
    Hinsehen erkannte ich, daß sie aufgrund von Hitze
    geborsten waren, was bedeutete, daß hier ein Lagerfeuer gebrannt hatte. Manchmal kam ich auf eine Lichtung, auf der ganz offensichtlich eine größere Anzahl von Menschen
    gelagert hatte, aber das überall wuchernde Gestrüpp ließ darauf schließen, daß dies schon längere Zeit her war. An manchen dieser Orte fand ich noch Hinweise auf die
    Alemannen: flache Felsen oder grobe Holzstämme, in die ein Kreuz mit vier rechtwinklig abgeknickten Balken
    gemeißelt war. Darunter standen zu Dreiecken, Kreisen oder wellenförmigen Linien angeordnete Runen.
    Ich war bereits seit Wochen in den Bergen unterwegs
    gewesen, als ich dem ersten Menschen begegnete. Es hatte an jenem Tag viel geschneit. Die Dämmerung brach gerade herein, und ich war müde, ausgehungert, durstig und starr vor Kälte. Ich hatte noch nichts getrunken, und weil es im Wald rasch dunkel wurde, suchte ich verzweifelt nach einer Quelle, in deren Nähe sich außerdem vielleicht die Höhlen überwinternder Tiere fanden und neben der ich mich für die Nacht in mein Schaffell rollen konnte. Plötzlich flatterte der Adler auf meiner Schulter mit den Flügeln, um meine
    Aufmerksamkeit zu erregen. Ich reckte den Hals, versuchte, durch das Schneegestöber etwas zu erkennen, und
    entdeckte nicht weit von uns entfernt einen Lichtschimmer.
    Vorsichtig pirschte ich mich näher heran, bis ich ein
    bescheidenes Lagerfeuer vor mir sah, an dem eine dunkle Gestalt saß. So leise wie möglich umkreiste ich das Feuer und näherte mich der Gestalt von hinten. Ich konnte nur einen Schöpf wirrer grauer Haare erkennen, der Rest
    verschwand in einem dicken Pelz. Ich sagte mir, daß es ein Mann sein mußte, doch sah ich nirgends ein Pferd und auch keine anderen Menschen oder Lagerfeuer. Ich überlegte, ob ein Alemanne wohl allein und ohne Pferd die rauhen Alpen durchqueren würde. Frierend stand ich da und kämpfte mit mir, ob ich mich zu erkennen geben oder mich zurückziehen und in Sicherheit bringen sollte, als die Gestalt plötzlich, ohne den Kopf zu drehen oder die Stimme zu erheben,
    sagte:

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