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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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getroffen. Das beweisen diese Dokumente mit Namen von aufrührerischen Goten,
    abtrünnigen Römern und katholischen Christen, darunter auch zwei Kardinaldiakone aus dem Gefolge des
    Erzbischofs.«
    Odoin machte eine Handbewegung, als ob er mir den
    Inhalt seines Weinbechers ins Gesicht schütten oder die Papyrus-Rollen aus der Hand reißen wollte.
    »Gebt Euch keine Mühe. Eine Abschrift dieser Seiten ist bereits unterwegs nach Ravenna. Und in diesem Moment
    werden auch Eure Mitverschwörer verhaftet.«
    »Und ich?« fragte er mit belegter Stimme.
    »Laßt mich mit Euren eigenen Worten schließen: ›Im Alter ist Theoderich so schwach und rückgratlos wie Odoaker
    geworden. Es ist Zeit, daß wir Theoderich durch einen
    fähigeren Mann ersetzen.‹ Sagt mir, Odoin, wärt Ihr dieser fähigere Mann gewesen? Was, meint Ihr, wird Theoderich denken, wenn er diese Worte liest?«
    Darauf antwortete Odoin nicht, sondern sagte nur: »Thorn, Ihr kamt nicht hierher, unbewaffnet wie Ihr seid, um mich festzunehmen.«
    Gleichgültig blickte ich ihn an. »Ihr wart ein tapferer Krieger, ein guter General und, bis jetzt, ein treuer
    Gefolgsmann des Königs. Angesichts Eurer Verdienste
    wollte ich Euch Gelegenheit geben, dem, was Euch
    bevorsteht, zuvorzukommen.«
    Cassiodors Historica Gothorum berichtet, der Herzog Odoin sei, zusammen mit seinen Mitverschwörern, drei Tage später auf dem Forum Romanum enthauptet worden. Das
    stimmt. Nur Artemidorus, Hakat, ich selbst und zwei meiner vertrauenswürdigsten Wachen, die den Verräter vor den
    Scharfrichter führten, wußten, daß Odoin zu diesem
    Zeitpunkt schon seit drei Tagen tot war. Auf die Art eines vornehmen Römers hatte er, in meinem Beisein, sein
    Schwert gezogen, die Spitze auf seine Brust gerichtet, den Griff auf den Mosaikfußboden gestützt und sich mit seinem vollen Gewicht hineingestürzt.
    7
    Eines Tages brachte Ewig mir neue Nachrichten. Eine
    gewisse Caia Melania, eine gerade erst in Rom
    angekommene Witfrau, habe ein vornehmes Haus auf dem
    Equilin gekauft, und eine stattliche Anzahl Handwerker sei dabei, es zu renovieren. Schön und gut, dachte ich, eine neue Bewohnerin, die den Leuten hier Arbeit und Brot geben konnte, aber ansonsten kaum der Rede wert.
    Auch als in den nächsten Wochen mehrere meiner
    Freunde den Namen Caia Melania erwähnten - meistens mit zustimmenden oder gar ehrfürchtigen Kommentaren über
    die Summen, die sie ausgab - nahm ich davon kaum Notiz.
    In Vindobona hatte ich einst eine Frau dieses Namens
    gekannt. Ohne sonderliches Interesse fragte ich mich, ob es sich wohl um ein und dieselbe Person handelte. Allerdings war Melania kein sehr ausgefallener Name.
    Ich horchte erst auf, als mir bei einem Empfang in der Villa von Symmachus, Roms Erstem Senator, Gerüchte über sie
    zu Ohren kamen. Es war eine erlesene Gesellschaft, die sich an jenem Abend bei Symmachus eingefunden hatte,
    darunter einige Senatoren und ihre Frauen; Theoderichs Ratgeber Boethius und seine Gattin; Liberius, zu der Zeit Gouverneur der Stadt, sowie eine ganze Anzahl weiterer hervorragender Bürger. Alle schienen sie weit besser über die Witwe Melania informiert zu sein als ich selbst. Viel wurde über die extravaganten Ausgaben dieser Frau
    gesprochen und darüber, was hinter den Mauern ihres
    Hauses wohl vorging.
    Dann, als die Frauen sich aus dem Speisesaal
    zurückzogen, damit wir Männer ungehemmter reden
    konnten, verriet uns Symmachus, was er über diese
    mysteriöse Frau wußte: »Sie ist eine reiche Witwe aus der Provinz. Und aus ihrem Haus will sie das vornehmste und teuerste Liebesnest seit den legendären Tagen Babylons machen.«
    »Ach, eine Kupplerin nur?« Präfekt Liberius zeigte sich enttäuscht. »Hat sie denn schon eine Lizenz beantragt?«
    »Ich sagte nicht, sie betreibe ein Bordell«, lachte
    Symmachus. »Der Ausdruck wäre unpassend,
    genausowenig wie das Wort Kupplerin eine zutreffende
    Beschreibung der Witfrau Melania vermittelt. Ich habe sie getroffen. Sie ist eine sehr vornehme und gebildete Frau, die mir die Ehre erwies, mir ihr Haus vorzuführen. Einen
    Stadtschreiber anzuweisen, für einen solchen Ort eine
    Lizenz zu erteilen, wäre etwa so, als bestünde man darauf, Theoderichs Paläste zu lizensieren.«
    »Trotzdem, ein gewerbliches Unternehmen...«, grummelte Liberius, der stets auf zusätzliche Steuern und Gebühren hoffte.
    Symmachus ignorierte diese Bemerkung und fuhr fort zu
    erzählen: »Dabei ist das Haus, so reichhaltig es

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