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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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jüngeren Männer lachten lauthals, aber die
    älteren Gäste fühlten sich von dieser unziemlichen
    Äußerung abgestoßen und für den Rest des Abends wurde
    der Name Melania nicht mehr erwähnt.
    Doch auch während der folgenden Monate hörte ich ihren Namen von dem einen oder anderen meiner Freunde und
    Bekannten, Männer von Format, meistens in meinem Alter und vom Rang her mindestens so hochgestellt wie ich.
    Männer, die über solche Dinge normalerweise vornehm
    schwiegen, jetzt aber, ohne dazu aufgefordert worden zu sein, mit verklärter Stimme von den phantastischen Frauen schwärmten, die sie in dem Haus auf dem esquilinischen Hügel besessen hatten.
    »Für das wertvollste Juwel in Melanias Sammlung, so
    habe ich gehört, hat sie noch keinen passenden Mann
    gefunden. Oder vielleicht keinen, der reich und
    spendierfreudig genug ist. Ein weibliches Wesen von
    erlesenster Seltenheit soll es sein. Jeder Mann in Rom brennt vor Neugierde und hofft, er möge der Glückliche sein, den sie erwählt.«
    »Eine wunderschöne Jungfrau, Saio Thorn«, sagte Ewig,
    mein Spion, der über alle Geheimnisse Roms im Bilde war.
    »Ein Mädchen vom Volk der Chinesen. In Schleier gehüllt wurde sie hierhergebracht und seither vor aller Augen
    verborgen. Ihre Haut soll von einem blassen Gelb sein -
    überall! - wenn Ihr euch das vorstellen könnt.«
    »Ich kann, ich kann«, murmelte ich. »Pfirsichfarben wäre jedoch zutreffender.«
    Ewig betrachtete mich eingehend. »Wenn Ihr Euch in
    solchen Dingen auskennt, Saio Thorn, vielleicht seid Ihr es dann, für den diese Jungfrau reserviert ist?«
    Schon die Mönche in St. Damian hatten es bemerkt:
    Unstillbare Neugier war - und ist - meine größte Schwäche.
    »Ewig«, sagte ich, »du kennst die Handwerker, die an
    diesem Haus gearbeitet haben. Mache dich kundig über den Grundriß des Hauses, groß ist es ja nicht, und die Aufteilung der Zimmer und erstatte mir Bericht.«
    So kam es, daß ich mich eines Sommerabends an der Tür
    des Hauses auf dem Esquilin vorstellte und von einer nur durchschnittlich hübschen Dienerin in das Empfangszimmer geleitet wurde.
    Das Zimmer, das ich als erfahrener Krieger mit einem
    Blick erfaßte, war rund und geräumig. In der Mitte stand ein rosafarbener Marmortisch, auf zwei Seiten flankiert von rosa Marmorliegen. Das war die gesamte Einrichtung. Caia
    Melania ruhte halb liegend auf der mir und der Tür, durch die ich eingetreten war, zugewandten Liege. In dem Halbrund der Wand hinter ihr waren fünf geschlossene Türen sichtbar.
    An einem Ende des Marmortisches stand eine flache
    Kristallschale voll frischgepflückter Pfirsiche, jeder einzelne vollkommen, unberührt und von Tautropfen gekrönt. Auf den Früchten lag ein kleines, rotgoldenes Messerchen. In einer großen Kristallkugel auf der anderen Seite schwammen
    gemächlich einige kleine, pfirsichfarbene Fische herum, die ihre durchscheinenden Flossen wie zarte Schleier sanft bewegten.
    Offensichtlich war rosa, oder pfirsich, Melanias bevorzugte Farbe. Auch die schwere, golddurchwirkte Seidenstola, die sie trug, war in diesem Farbton gehalten. Wie gesagt, sie war keine junge Frau mehr, sondern eine Matrone,
    höchstens acht bis zehn Jahre jünger als ich selbst. Für ihr Alter war sie außerordentlich schön. Wohlgeformt, aber immer noch schlank. Ich konnte sehen, wie anziehend ihre Schönheit einst gewesen sein mußte. Jetzt aber hatten die zitternden Finger des Alters Silberlocken in das Gold ihres Haares gewoben und ihre elfenbeinschimmernden Wangen
    mit einer Falte hier und da gezeichnet. Doch ihre großen blauen Augen waren strahlend hell, und ihre Lippen waren voll und rot. Sie konnte gut auf Salben und Schminke
    verzichten.
    Mit einer kurzen Geste hieß sie mich auf der Liege ihr gegenüber Platz nehmen. Ich setzte mich aufrecht hin. Sie fing, ohne ein Lächeln, ohne jegliche einleitende Zeremonie, an, mich auszufragen. In der Tat stellte sie viele Fragen, wobei es mir - obwohl ihre Stimme durchaus liebenswert klang - vorkam, als tue sie das nur der Form halber. Sie mußte also, so vermutete ich, jeden Bewerber schon, bevor er ihr Haus betrat, einer genauen Untersuchung unterzogen haben. Als sie anfing, sich nach meinen Vorlieben und
    Neigungen zu erkundigen und dabei ebenso uninteressiert erschien, unterbrach ich das Verhör und warf leichthin ein:
    »Ich glaube, Caia Melania, Ihr habt mich des berühmten, unschätzbaren Juwels in Eurem Schmuckkästchen für
    unwürdig befunden.«
    Sie

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