Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
Vom Netzwerk:
eine Art Klammer hätte... die einem hilft, oben zu bleiben...«
    »Dafür sind die Schenkel da«, entgegnete Wyrd. »Deine
    sind bereits in der Zeit, in der ich dich kenne, länger und stärker geworden.«
    »Trotzdem...« Ich überlegte. »Wenn man irgendwie
    verhindern könnte, daß die Füße hin- und herschlenkern...«
    »Seit den Anfängen der Zeit reiten die Menschen ohne
    eine solche Vorrichtung, und sie reiten gut. Lerne zu reiten, statt herumzustreiten.«
    Aber ich gab nicht auf und versuchte mich als Erfinder. Mir fiel ein, wie ich im Scheunenhof von St. Damian das alte Zugpferd geritten hatte, bis die Milch zu Butter geworden war. Damals waren meine Schenkel weder kräftig noch lang gewesen, aber ich hatte die Füße unter die auf beiden
    Seiten herunterhängenden, mit Milch gefüllten Behälter geschoben und mich so auf dem breiten Rücken des Pferds halten können. Natürlich konnte ich einem Kriegspferd keine solchen Behälter auflegen, was ja auch lächerlich
    ausgesehen hätte, aber wenn ich irgend etwas hätte, unter das ich meine Füße schieben könnte... Da fiel mir ein, daß ich mir in Balsan Hrinkhen beim Erklettern astloser Stämme mit Hilfe meiner Gürtelschnur den nötigen Halt verschafft hatte...
    »Und jetzt?« brummte Wyrd, als ich ihm voller Stolz
    vorführte, was ich mir ausgedacht hatte. »Du hast dich an dein Pferd gefesselt?«
    »Nicht ganz«, erwiderte ich hochmütig. »Schau her. Ich habe drei von unseren festen Packschnüren genommen und sie zu einem dicken Seil geflochten. Dann habe ich das Seil Velox knapp vor den Rippen um den Leib geschlungen, so daß es nicht nach hinten rutschen kann. Dabei habe ich es nicht zu fest angezogen, sondern so lose, daß ich auf beiden Seiten mit den Füßen hineinschlüpfen kann - und siehst du, Fräuja! Es hält mich so sicher, als würde ich mit beiden Füßen auf dem Boden auf einem Stuhl sitzen.
    »Und was sagt dein Pferd zu dieser plumpen
    Vorrichtung?« fragte Wyrd bissig. »Mag es den dicken
    Knoten am Bauch?«
    »Na ja, ich gebe zu, der Knoten ist hinderlich. Ich wollte ihn hier oben am Widerrist befestigen, doch er rutscht immer wieder nach unten. Aber ich glaube, daß es Velox lieber ist, wenn ich sicher sitze, als wenn ich jedesmal, wenn er
    Richtung oder Geschwindigkeit ändert, im Sattel hin- und herrutsche.«
    »Sicher sitzen, aha. Ich habe gesehen, wie die Reiter der Alanen einen solchen Seiltrick ausprobiert und wie sie es bereut haben. Warte ab, mein Junge, bis dich der Hieb eines Gegners aus dem Sattel wirft und du am Geschirr hängend kopfüber durch die Gegend schleifst.«
    »Dann muß ich eben dafür sorgen, daß mich niemand aus
    dem Sattel wirft«, erwiderte ich selbstgefällig.
    Wyrd schüttelte den Kopf wie mißbilligend, aber ich
    glaube, er bewunderte mich auch, denn er sagte: »Dazu
    hast du vielleicht noch oft Gelegenheit. Du siehst mit deiner Schnur so komisch aus, daß jeder vorbeikommende Goliath versucht sein dürfte, dich aus dem Sattel zu heben. Aber reite, wie du willst, Junge. Ich zeige dir, wie du das Seil spleißen kannst, um den lästigen Knoten zu vermeiden.«
    »Velox wird es dir danken, Fräuja«, sagte ich erfreut. »Und ich ebenfalls.«
    Natürlich lernte ich auf den Reisen mit Wyrd mehr als nur den Umgang mit Pferden und die Kunst des Reitens.
    Während unseres ersten gemeinsamen Sommers ritten wir
    einmal durch ein spärlich bewaldetes Gebiet. Der graue Himmel lastete schwer und heiß auf uns wie eine wollene Decke, als Wyrd plötzlich sagte: »Hörst du den Schrei, Junge?«
    »Ich höre nur eine Krähe. In der Baumkrone da drüben.«
    »Nur eine Krähe? Hör genau hin.«
    Aber ich hörte nur ein heiseres Krächzen. Es klang
    vielleicht entschiedener als sonst, aber weiter fiel mir nichts daran auf.
    »Die Krähe stößt einen besonderen Warnruf aus«, erklärte Wyrd. »Eine Sturmwarnung! Lerne, diesen Ruf zu erkennen.
    Aber jetzt sieh dich nach einem Unterstand um. Ich möchte nicht hier im offenen Land in einen Sturm geraten.«
    Wir fanden eine flache Höhle, kurz bevor es plötzlich
    stockfinster wurde und der Sturm losbrach. Grelle Blitze zuckten durch die Nacht, ein Brüllen erfüllte die Luft, und ein Sturzregen ging nieder. Es war furchteinflößend, aber nicht unnatürlich. Nach einiger Zeit jedoch wurde unsere Höhle plötzlich von einem unheimlichen, beständigen blauen
    Leuchten erhellt. Wir sahen hinaus und stellten fest, daß alle Bäume in Sichtweite von einem blauen Feuer umhüllt

Weitere Kostenlose Bücher