Der Greif
bestehe -«
»Balgsdaddja«, erwiderte Wyrd ungerührt. »Es ist mein
Recht, auf Gudinand zu wetten, und ich weigere mich, das Gebot zurückzuziehen. Schau hin, schon muß sich Jaerius ducken und zurückziehen.«
Die Gegner hatten den Kampf damit begonnen, jeden im
Stockkampf möglichen Schlag und Schritt, sowohl im Angriff als auch in der Abwehr, auszuprobieren und den Mut, die Gewandtheit sowie die schwachen und starken Seiten des anderen bloßzulegen. Zu den verschiedenen
Verteidigungsschritten gehört das schnelle und sichere Parieren mit dem Stock selbst, aber es gibt noch andere, fortgeschrittenere Mittel des Ausweichens und Wegduckens, ja sogar - wenn es gilt, einem mit voller Wucht geführten Hieb mit der ganzen Länge des Stockes auszuweichen - mit Hilfe des Stocks wie ein Akrobat über den Schlag hinweg in die Luft zu springen. Im Prinzip sind der Hieb und der Stoß die einzigen Angriffsmethoden eines Stockkämpfers. Aber auch hier sind Abwandlungen möglich, ein angetäuschter Hieb kann plötzlich zu einem echten Stoß werden.
Jaerius stieß mit seinen kurzen Armen seltener mit dem Ende seines Stockes zu, sondern zog es vor, ihn vor allem gegen Gudinands Kopf zu schwingen. Ich nehme an, daß
Jaerius sich an die Aussage seiner Mutter erinnerte,
Gudinand sei »kopfkrank« und nun hoffte, das selbst ein ungenauer Treffer auf den Kopf genügen würde, um
Gudinand niederzuschmettern.
Gudinand stellte seinerseits bald fest, daß er den
untersetzten, mit beiden Beinen fest auf der Erde stehenden Jaerius wohl kaum mit einem seitlichen Hieb seines Stockes würde umwerfen oder auch nur behindern können. Also
verließ er sich auf seine größere Reichweite, auf ausfallartig vorgetragene Stöße, die er abwechselnd auf Jaerius'
Magengrube richtete, um ihm den Atem zu nehmen, und auf seine Hände, um seinen Griff um den Stock zu schwächen oder zu brechen.
Gudinand war schlanker und leichter und konnte Jaerius'
Hieben gegen seinen Kopf - zumindest den meisten -
ausweichen oder sie parieren. Der schwerfällige Jaerius hingegen war nicht beweglich genug, Gudinands Stößen mit dem Ende des Stocks auszuweichen. Bei einigen
Magentreffern konnte man Jaerius laut ächzen hören,
woraufhin er stets weit genug nach hinten auswich, um
wieder nach Luft schnappen zu können. Ab und zu hörte
man auch, wie Gudinands Hiebe auf die Finger seines
Gegners krachten, einmal ließ Jaerius' Rechte sogar
beinahe den Stock los. Von da an attackierte Jaerius nur noch selten, er kämpfte vor allem darum, seinen Stock
festzuhalten. Offensichtlich hatte er jede Hoffnung auf einen Sieg aufgegeben und versuchte lediglich, einer Niederlage zu entgehen. Gudinand nutzte seine Überlegenheit aus und drängte Jaerius so weit zurück, bis sie fast unmittelbar vor der Loge standen.
»Schau«, rief Wyrd, »der erbärmliche Schuft schwitzt so sehr, daß das Öl an ihm abläuft.«
Tatsächlich breitete sich ein Fleck auf dem Sand aus, wo Jaerius gerade stand und versuchte, gegen Gudinands
erbarmungslose Angriffe seine unsichere Position zu halten, und ich war mir nicht sicher, ob das nur Schweiß und Öl war.
Jaerius blickte verzweifelt hin und her, so als ob er eine Fluchtmöglichkeit suchte - oder Rettung von außen erhoffte, denn am häufigsten huschte sein Blick über die Loge, wo sein Vater und seine Mutter saßen. Der Ausdruck im Gesicht des Dux hatte sich nicht im geringsten verändert, aber Robeyas... Falls sie wirklich ein Drachen gewesen wäre, dann hätte sie sich neben ihren Sohn in die Arena
geschwungen und Gudinand mit ihren Flammen verzehrt.
Zufrieden kommentierte Wyrd: »Hinter einem
gewalttätigen Großmaul versteckt sich immer ein Feigling, und der hier beweist es sogar öffentlich. Junge, du solltest dich nicht beklagen, mir eine so große Wettschuld zu
bezahlen, hast du doch die Freude genossen, deinen
Freund siegreich zu sehen.«
Aber plötzlich hörte Gudinand auf, auf Jaerius
einzudreschen, und er trat zur Seite. Die Zuschauer
vermuteten wohl, daß er seinem Gegner die Gnade erwies, ihn nicht zu töten oder die Knochen zu brechen, so daß er für immer ein Krüppel wäre, ja nicht einmal ihn soweit zu schlagen, daß er demütig im Sand lag und die erniedrigende Geste des erhobenen Fingers zeigen müßte, um damit um
sein Leben zu flehen. Ich aber wußte, daß es nicht der Gedanke an Gnade war, der Gudinand so plötzlich lahmte.
Er beachtete Jaerius nicht einmal mehr; langsam hob er seine Augen
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