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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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könnte, und
    ansonsten gewinne ich Städten wenig ab. Außerdem glaube ich, daß wir uns eine richtige Ruhepause verdient haben.
    Laß uns noch ein paar Tage hierbleiben und die Wildnis in ein paar guten Bädern ausschwitzen. Wir können unsere
    Gaumen auch mit üppigen Leckerbissen verwöhnen, uns
    neu einkleiden und notwendige Besorgungen machen. Dann reisen wir ab, und ich zeige dir eine der zauberhaftesten Gegenden dieser Erde. Was hältst du davon?«
    Mit der letzten Stadt, in der ich längere Zeit verweilt hatte, verbanden mich sehr schmerzhafte Erinnerungen, und so
    stimmte ich ohne zu zögern zu. Rund eine Woche später
    ritten Wyrd und ich aus Juvavum, die leeren Schlitten ließen wir hinter uns zurück. Wir folgten keiner der zahlreichen römischen Straßen, die in Juvavum zusammenkommen,
    sondern zogen in südöstlicher Richtung durch das langsam ansteigende Vorland der Bergkette, die den Einheimischen als Dachstein-Gebirge bekannt ist.
    Nach einigen Tagen gemächlichen Reitens befanden wir
    uns in dem Teil Noricums, der auf lateinisch Regio
    Salinarium und in der Alten Sprache Salthuzdland genannt wird. Beides bedeutet »Ort des vielen Salzes«. Man darf sich dieses Land aber nicht als öde Salzwüste vorstellen (wie sie es in Libyen und Asien geben soll). Weit gefehlt.
    Zwar gibt es hier überaus reiche Salzvorkommen, aber sie liegen alle unter der Erde und die Eingänge zu den Minen sieht man nur selten. Ansonsten ist die Landschaft großartig, die lieblichste Region, durch die ich bisher gereist bin. Weite Lichtungen, bestanden mit Wildblumen und süßen Gräsern, wechselten sich mit Wäldern ab, die sich, ich weiß nicht warum, von allen anderen unterschieden, die wir zuvor
    durchritten hatten. Diese Wälder glichen den
    Parklandschaften, die ich später auf den Besitzungen reicher Männer sehen sollte: kein dichtes Unterholz, die Bäume standen so weit voneinander entfernt, daß ein jeder von ihnen seine Krone weit ausbreiten konnte. Zwischen den Bäumen wuchsen blühende Büsche und sprießte ein Rasen, der es ohne weiteres mit den Wiesen sorgsam angelegter und gepflegter Gärten aufnehmen konnte.
    »Das ist das schönste Land, das meine Augen jemals
    gesehen haben«, sagte ich hingerissen und ehrfürchtig zu Wyrd. »Glaubst du, in diesen Wäldern leben Zentauren,
    Satyre und Nymphen?«
    »So viele wie anderswo auch«, antwortete er sarkastisch, schien sich aber gleichzeitig darüber zu freuen, daß mir diese von ihm gepriesene Gegend so gut gefiel.
    Nur ein unglücklicher Zwischenfall beeinträchtigte die Reise. Wir hatten für die Nacht neben einem kristallklaren Bach, der durch eine blumenbestandene, duftende Lichtung floß, Rast gemacht. Ich hatte mich bei der Suche nach
    Brennholz vom Lager entfernt und war gerade mit einem
    Armvoll Äste auf dem Rückweg, als ich einen überraschten Ausruf Wyrds hörte, dann ein seltsames Zwischending
    zwischen Winseln und Knurren und zuletzt ein scharrendes Geräusch, das plötzlich verstummte. Ich rannte los, und am Lagerplatz sah ich Wyrd mit seinem Kurzschwert in der
    Hand dastehen. Blut troff von der Klinge. Er selbst starrte grämlich auf eine sehr ansehnliche Wölfin, die er erschlagen hatte.
    »Was ist los?« fragte ich. »Ich dachte, du seist ein Freund der Wölfe.«
    »Das bin ich auch«, sagte er, ohne seinen Blick von dem Tier zu wenden. »Aber die da wollte mich angreifen.«
    Es mußte ein plötzlicher und heftiger Angriff gewesen sein, denn ich sah einen Blutspritzer auf einer von Wyrds
    geschnürten Gamaschen. Normalerweise tötete er sehr
    sauber, selbst wenn es sich um einen angreifenden Eber handelte.
    »Außerdem dachte ich, Wölfe würden sich an Menschen
    nicht herantrauen. Das hast du mir selbst gesagt.«
    »Die hier war krank«, sagte er bedrückt. »Ich habe diese Krankheit schon einmal zuvor gesehen. Die Wölfin wäre
    unter schrecklichen Krämpfen gestorben. Ich habe sie aus Mitleid getötet.«
    Wyrd sah so niedergeschlagen aus, daß ich es unterließ, weiter nach dieser Krankheit zu fragen. »Nun, zumindest hast du sie erwischt, bevor sie über dich oder die Pferde herfallen konnte.«
    Für den Rest des Abends war Wyrd sehr einsilbig, aber
    am nächsten Morgen war er wieder ganz der Alte - schroff, sarkastisch und reizbar. Die weitere Reise durch jene
    wundervollen Wälder verlief ruhig und erbaulich.
    Ich glaubte, auf unserem Weg schon mehr als genug
    Schönheit gesehen zu haben. Aber alles das verblaßte in meiner Erinnerung, als

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