Der Greifenmagier 2 - Land des Feuers
inzwischen von dünnem Eis überzogene Fluss glänzte in einem fast metallischen Silberton.
Die Banditen stürzten nicht. Sie waren tot, so wie sie dort standen. Frost funkelte in ihren Gesichtern und den Haaren; die Augen standen weit auf und blinzelten nicht. Die Haut war weiß wie Eis; die Kleidung glitzerte steifgefroren. Unter der Kälte platzten die Knüppel und Bögen; das Holz zersplitterte mit klaren knackenden Geräuschen. Die herabhängenden Bogensehnen spiegelten das Licht, als bestünden sie aus Silberdraht.
Gerent saß reglos im Sattel. Beguchren hielt ihn nach wie vor am Arm fest, und Gerent wollte lieber nicht herausfinden, was mit ihm oder seinem Pferd geschah, wenn der Magier ihn losließ. Das bleiche Licht verblasste allmählich, verdunstete wie Nebel, versank in der Erde und im Wasser. Es ließ den Frost zurück, der sich wie ein feines Netz aus Diamanten auf den Boden legte. Die Kälte schwand, als sich die Welt wieder an die Wärme des Sommers erinnerte; das natürliche Mondlicht, das jetzt wieder allein herrschte, wirkte bleich und matt.
Beguchren holte langsam tief Luft und ließ Gerents Arm los.
Gerent lenkte seine Stute sofort ein halbes Dutzend Schritte weit zurück. Er zitterte, und das lag nicht nur an den Restspuren der Kälte.
Beguchren blinzelte, schüttelte den Kopf, sog scharf die Luft ein und reckte die Schultern. Dann warf er Gerent einen durchdringenden Blick zu; das Grauen seines Begleiters schien er zum ersten Mal zu bemerken. »Was ich getan habe, war schneller und gnädiger als Hängen.«
Gerent atmete tief ein, sagte aber nichts. Er holte erneut Luft und ließ sie wieder heraus, und nach wie vor schwieg er. Sein Blick schweifte über die acht toten Banditen. Während er hinsah, kippte der erste schließlich um – steif wie ein Brett, nicht schlaff wie ein erschossener Hirsch. Dann der zweite. Gerent bemühte sich, nicht zusammenzucken, während erst der eine und dann der andere am Boden aufschlug. Die Pferde klappten angesichts dieses seltsamen Verhaltens der Menschen nervös die Ohren nach vorn. Während sie hektisch die Positionen wechselten, hinterließen ihre Hufe dunkle Abdrücke in der gefrorenen Erde.
Gerent überwand sich, aufs Neue den Blick des Magiers zu erwidern. Schließlich erklärte er: »Ihr seid ein Diener des Königs. Also hattet Ihr das Recht dazu.«
Beguchren neigte den Kopf. »Jeder hat sowohl das Recht als auch die Pflicht, die Straße vom Räuberunwesen zu befreien, wenn er kann. Aber ja, der Arobarn hat mich speziell aufgefordert, die entsprechenden Bemühungen vor Ort zu unterstützen, wenn sich die Gelegenheit bietet.« Er hielt kurz inne. Dann fuhr er sanft fort: »Ich denke, wir können Raichboda noch heute Abend erreichen. Ich glaube nicht, dass wir es gemütlich fänden, im Dunkeln am Fluss zu lagern.«
»Sicher nicht«, pflichtete ihm Gerent grimmig bei und setzte sein Pferd in Trab, eine etwas zu schnelle Gangart für das spärliche Licht. Aber das Tier schien ebenso froh zu sein wie er selbst, die vereisten Banditen weit hinter sich auftauen zu lassen. Gerent wollte nicht mal an die Träume denken, die er heute Nacht vielleicht hatte – falls er denn träumen würde. Er bezweifelte, dass er überhaupt Schlaf fand, und wahrscheinlich war das nur gut so. Unwillkürlich blickte er über die Schulter, als hinter ihnen ein dritter Brigant umkippte, begleitet von einem tönenden, kristallenen Scheppern.
Nach nicht mehr als einer Meile in nördlicher Richtung erreichten sie das Gasthaus an der Anlegestelle von Raichboda. Die Fähre lag nicht hier, sondern hatte auf der Stadtseite des Flusses am Kai angelegt. Allerdings nicht wirklich am Kai: Denn der Wasserstand war so niedrig, dass die Fähre einfach auf die freiliegenden Schlammflächen vor dem Kai gefahren war, wo man sie vertäut hatte. Zum Glück gehörte das Gasthaus an diesem Ufer zu den besseren Herbergen, und man war dort auf den Empfang spät eintreffender Gäste eingestellt. Gerent und Beguchren erhielten ein kleines, aber gepflegtes Gästezimmer mit zwei sauberen Betten und – das war von allem das Beste – mit einem schon mit dampfendem Wasser gefüllten Badezuber. Beguchren stellte die Seife zur Verfügung. Das Stück war glatt und duftete nach Rosen, genau die Art Seife, die Gerent bei dem Magier auch erwartet hätte. Am liebsten hätte er gelacht. Er hätte das auch getan, wenn er mithilfe dieser guten Seife das Fett von Töpfen hätte wegschrubben müssen anstatt die
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