Der Greifenmagier 2 - Land des Feuers
den Greifen nur dazu bewegte, auch ihr den Kopf abzubeißen ...
»Nein!«, rief Fürst Bertaud. Er stand auf, trat leise an Tehres Seite und legte eine Hand auf ihre Schulter. Doch er sah sie nicht an, sondern hatte nur Augen für Kairaithin. Er sagte kategorisch, als glaubte er wirklich, dass der Greif sich etwas daraus machte: »Für Farabiand ist es nicht akzeptabel, dass Casmantium zerstört wird.«
Ist für euch akzeptabel, dass das Land des Feuers zerstört wird?, fragte der Greifenmagier mit einer Stimme, in der ein entsetzlicher Zorn mitschwang, der nur mühsam unterdrückt war. Ist für euch akzeptabel, dass das Volk von Feuer und Luft vernichtet wird?
»Nein«, entgegnete Bertaud. »Findet einen anderen Weg.«
Kairaithin bauschte die Schwingen, warf den Kopf hoch und klappte den entsetzlichen Schnabel mit einem erschreckenden, tödlichen Laut zu. Und wenn es keinen anderen Weg gibt?
»Es muss ihn geben«, beharrte Fürst Bertaud. Aber für Tehre sah er grimmig und krank aus, als hätte er vielleicht den Hintergedanken, dass es diesen anderen Weg tatsächlich nicht gab.
Der Greifenmagier saugte Feuer aus dem Wind, saugte Feuer aus dem Sand, schickte Feuer auf einer dünnen Schleife rings um den Säulenkreis.
Er wollte sie alle töten, dachte Tehre; welches Bündnis auch immer zwischen den Greifen und Farabiand bestand: Kairaithin wollte sie alle zu Asche verbrennen – Tehre und Fürst Bertaud und Gerent und weiter unten all diese Männer mit den nutzlosen Speeren. Und dann würden die Greifen die Flüsse beseitigen, von denen der ganze Süden Casmantiums abhing, und lachen, während das Land der Erde verdorrte ... Sie schrie: »Nein!« Dann senkte sie Beguchren sachte auf den Sand und stand auf.
Alle starrten sie an, aber sie registrierte es kaum.
Ihre Aufmerksamkeit galt nun allein Gerent, dessen Zustand unverändert war – der im Sand lag, nicht ganz bewusstlos, aber gewiss nicht wach. Als Einziger hier hatte er weder von der Schlacht noch der Niederlage Notiz genommen und ahnte auch jetzt nichts davon, dass für sie alle der Tod unmittelbar bevorstand.
Seine Kraft war ihm von Beguchren genommen worden. Er hatte jedoch keine Verletzung davongetragen. Er war nur schwach. Wenn er wieder zu Kräften kam, war er vermutlich ein Magier. Ungeschult natürlich. Das war für Beguchren ohne Belang gewesen. Der Magier des Königs hatte es vielleicht sogar für vorteilhaft gehalten. Jetzt war es sicher kein Vorteil mehr. Aber trotzdem ... Tehre kniete sich neben Gerent, legte ihm eine Hand auf die Schulter, gliederte einen Teil der eigenen Kraft aus und führte sie ihm zu, wie ein Heiler vielleicht einem Verletzten neue Kraft spendete. Sie hatte früher miterlebt, wie ihre Mutter das tat, und obwohl sie es noch nie selbst getan hatte, schien es ihr eine recht einfache Tätigkeit zu sein. Was sie Beguchren hatte sagen wollen, war die reine Wahrheit: Sie war stärker, als sie aussah; sie konnte Kraft aus der eigenen Gabe gewinnen und noch immer viel davon übrig behalten.
Unter ihrer Hand spannte sich Gerent an. Er hob langsam den Kopf. Die Augen verrieten, dass er wieder zu Bewusstsein kam. Als Erstes blickte er in Tehres Gesicht. Er war zunächst froh, sie zu sehen. Dann überrascht. Dann erschrocken, als ihm aufs Neue Erinnerungen und Gedanken zuflossen. Er blickte an ihr vorbei auf Fürst Bertaud, den er nicht kannte. Er tat ihn ab, suchte weiter. Dann erblickte er Beguchren, der verlassen und bewusstlos im Sand lag. Zorn trat an die Stelle der Furcht – und dann, als er sich Kairaithin und dem anderen Greifen zuwandte, grimmiger Abscheu. Tehre starrte ihn an. Sie hatte Verständnis gehabt für die Überraschung, die Furcht, den Zorn. Die Tiefe des Abscheus jedoch, die sie in seinem Blick entdeckte, befremdete sie. Oder auch nicht. Hatte nicht jemand – vermutlich Andreikan Warichteier – etwas über eine heftige Antipathie zwischen Magiern der Erde und Magiern des Feuers geschrieben? Und Gerent war jetzt ein Magier.
Ohne den Blick von Kairaithin zu wenden, rappelte er sich auf, und Tehre sprang hoch und wich zurück. Sie war sich plötzlich gar nicht mehr sicher, wen oder was sie aus der Starre der Erschöpfung geweckt und zurück in die Wüstennacht gerufen hatte.
Kapitel 14
Gerent bemerkte als Erstes, dass Tehre neben ihm war, was ihm einen Augenblick lang als normal erschien: etwas, das zu erwarten war, das zur natürlichen Ordnung der Welt gehörte. Dann fiel ihm ein, dass er sie in
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