Der Greifenmagier 2 - Land des Feuers
ich denke nicht, dass ich es war ... Ich glaubte zu wissen, warum er diese Männer mitnehmen wollte. Vielleicht habe ich richtig gelegen, aber ich habe es nicht ganz überblickt. Ich hätte nie gedacht, dass es überhaupt möglich wäre, das zu tun.«
»Es war für ihn offensichtlich so schwer wie für uns alle«, betonte Annachudran.
Gerent betrachtete weiter die reglose kleine Gestalt des Magiers. »Oh, ja.«
»Du hast dich erholt«, sagte die Dame Emre optimistisch. »Vielleicht wird auch er wieder genesen. Ihr seid schließlich alle zusammengebrochen – außer Tehre.« Sie warf einen stolzen Blick auf ihre Tochter.
»Es erfordert nicht wirklich Kraft, die Berge tatsächlich niederzureißen, weißt du?«, erklärte Tehre bescheiden. »Nur ein Verständnis, wie Dinge zerbrechen.« Sie wandte sich Gerent zu. »Weißt du, ich habe dort oben etwas herausgefunden, als ich half, die Berge in passende Blöcke zu brechen.« Sie beugte sich vor. Ihre Augen leuchteten vor Begeisterung, und sie wurde lauter, während ihr Tonfall an Intensität zunahm. »Wenn man die Kraft nimmt, mit der ein Material unter Spannung gesetzt ist, und sie als die Belastung definiert, der man das Material unterwirft, und wenn du dir zudem überlegst, wie weit das Material von dieser Spannung gedehnt wird und dies die Beanspruchung nennst, dann nennt dir das Verhältnis aus Belastung und Beanspruchung ein einfaches Maß von der Materialsteife, verstehst du?«
»Ja ...« Gerent dachte, dass er das mehr oder weniger tat.
»Na ja, es erweist sich eines: Wenn man einen dünnen Riss durch ein Material zieht, dann steigt die Belastung an der Spitze des Risses ungeheuer stark an, weil die Belastung den Riss umgehen muss und sich einfach an seiner Spitze ballt. Und je feiner der Riss ist, desto größer ist dieser Anstieg, verstehst du? Man kann das ausrechnen – es ist die Belastung multipliziert mit einem Faktor. Ich denke, der Faktor muss sich als der doppelte Wert der Quadratwurzel aus der Länge des Risses ergeben, geteilt durch den Radius an der Spitze des Risses. Wenn man es so rechnet, erkennt man gleich, warum ein Riss in irgendeinem steifen Material eine kritische Länge aufweist, und jenseits dieser kritischen Länge verlängert sich der Riss von allein – und das ist auch der Grund, warum steife Materialien wie Stein keinerlei nennenswerte Zugspannung ertragen, verstehst du?«
»Nun, dann lassen wir euch Kinder jetzt einfach mal in Ruhe«, sagte die Dame Emre und verdrehte die Augen. Gleichzeitig lachte sie jedoch, wenn auch ironisch. »Ich mache mich auf die Suche nach deinem Fürsten Bertaud, Tehre, meine Liebe, und setze ihn darüber in Kenntnis, dass unser Freund Gerent zu sich gekommen ist. Du findest mich danach vermutlich in der Bibliothek, sollte der unwahrscheinliche Fall eintreffen, dass du mich brauchst.« Sie küsste zärtlich Tehres Nacken, tätschelte Gerent den Arm und ging hinaus.
Gerent nickte abwesend, war aber zu entzückt von Tehre, um wirklich zu bemerken, wie ihre Mutter hinausging. »Faszinierend«, sagte er ernst zu Tehre. »Und nützlich. Ich kann mir bildlich vorstellen, was du meinst, mehr oder weniger, denke ich. Und das hast du dir dort ausgerechnet, während Feuer im Wind waberte und rings um diesen Steinkreis sprang? Tehre, du erstaunst mich!«
Tehre errötete und senkte den Blick. »Oh, na ja ... Ich hätte schon viel früher darauf kommen müssen. Nur ist es erst passiert, als ich damit loslegte, die Säulen zu zerbrechen ...«
»Also hast du dein Gespür in die Berge ausgedehnt, winzige Risse im Gestein erzeugt und dann Zugspannung angewandt.«
»Zugspannung wurde kaum benötigt«, wandte Tehre ernst ein. »Das ist ja der Punkt. Man muss das Wenige an Zugspannung nur in die richtigen Richtungen lenken. Und man braucht natürlich eine Menge Risse.«
Gerent konnte nicht aufhören zu lächeln. »Natürlich.«
»Ich zeige es dir ...« Sie brach jedoch ab, und ihr Enthusiasmus legte sich.
»Ist schon in Ordnung«, sagte Gerent sanft. »Beguchren hatte recht, wenn auch aus Gründen, mit denen er selbst nicht gerechnet hat, wie ich glaube. Es ist in Ordnung.«
»Es macht dir nichts aus?« Tehre erkannte oder vermutete jedoch schon die Antwort auf diese Frage und fuhr sogleich fort, damit er nichts erwidern musste: »Du kannst es nicht rückgängig machen? Dich noch einmal in Gegenrichtung neu formen?«
»Nein«, erklärte Gerent. »Ein Schaffender vermag sich neu zu schaffen. Die Fähigkeiten eines
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