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Der Greifenmagier 2 - Land des Feuers

Der Greifenmagier 2 - Land des Feuers

Titel: Der Greifenmagier 2 - Land des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neumeier Rachel
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Magiers liegen jedoch nicht im Schaffen. Es ist, als zerbräche man ein Schwert oder zerlegte einen Berg in Blöcke: Man kann es sich später nicht mehr anders überlegen und das Material wieder in die Gestalt bringen, die es zuvor hatte.«
    »Nein«, pflichtete ihm Tehre mit dünner Stimme bei.
    »Das gilt für alles, was von Bedeutung ist«, warf Aben Annachudran leise ein. Er legte seiner Tochter die Hände auf die Schultern und sah über ihren Kopf hinweg Gerent an.
    Unbehaglich wandte sich Gerent ab, trat ans Bett und starrte auf Beguchren hinab. Ohne aufzublicken, fragte er: »Deine verehrte Gemahlin konnte ihm nicht helfen?«
    Annachudran trat neben ihn, und Tehre kam auf seine andere Seite. Der Gelehrte antwortete: »Wir sind natürlich letztlich alle zusammengebrochen, aber wir brauchten uns nur eine Weile auszuruhen, um uns wieder zu erholen. Tauban wurde von einem Greifen zerrissen – praktisch der einzige echte Verlust, den wir erlitten haben ... und Ansant, wenn das auch zählt, hat es zustande gebracht, von einem Speer im Oberschenkel erwischt zu werden, irgendwann in der unübersichtlichsten Phase der ...«, er zögerte, »... Übung. Beguchren Teshrichten hat uns beschützt, genau wie er es versprochen hatte.«
    Nach dem Tonfall des Gelehrten zu urteilen, hatte er geglaubt, dass sie alle umkommen würden. Gerent nickte wortlos.
    »Emre ist mit all dem fertig geworden. Aber dies hier ...«, Annachudran deutete auf die kleine Gestalt zwischen den Kissen, »... das bekam sie mit ihren Kräften nicht in den Griff, und Schlaf allein scheint auch nicht zu helfen. Ich hatte gehofft, das würde es; ich dachte, er hätte vielleicht eine Art symbolische Verletzung erlitten, eine des Willens vielleicht oder des Herzens oder des Selbstes. Aber ...« Er verstummte.
    Gerent starrte auf die kleine Gestalt des Magiers hinab. Dann warf er Tehre einen Seitenblick zu. »Du hattest recht. Er fing die Kraft der tiefen Erde ein und beugte sie um die eigene Kraft herum, um sie dann an dich und mich weiterzuleiten. Ich denke nicht, dass er verletzt wurde. Nicht einmal symbolisch. Ich glaube jedoch, dass er sich bis zu den letzten Resten seines Willens und Herzens und Selbstes verausgabt hat ...« Er legte Beguchren sachte eine Hand auf den Arm, der geradezu schmerzlich dünn war.
    Gerent schloss die Augen und sendete seine Gedanken auf die Suche nach dem Bewusstsein, den Erinnerungen und dem Selbst des Magiers. Er fand nur Leere ... doch innerhalb dieser Leere die tiefe Magie von Erde und Gestein, wie sie die ganze Welt ausfüllte, sodass im Grunde nirgendwo eine Leere bestand. Hinter dieser tiefen Magie lag eine schmerzliche Kälte, ihm so vertraut wie die eigenen Hände und Gedanken ... Er erhielt einen Eindruck von Jahren, die endlos vor dem geistigen Auge abliefen, von Gesichtern und Stimmen, an die er sich erinnerte ... Nur langsam wurde ihm klar, dass es keine Gesichter oder Stimmen waren, an die er selbst sich erinnerte. Diese Kaltmagie war nichts, das ihm vertraut gewesen wäre. Und zu Anfang war die unausgefüllte treibende Leere nicht die seine gewesen.
    Und so tastete Gerent weiter nach draußen, um das Gefühl der Leere zu finden, und er goss all die Erinnerungen, die er aus dem Dunkeln geschöpft hatte, dorthinein. Er versuchte, sie mit dem wesenhaften, spezifischen Gewahrsein von Erde und Gestein und Kälte und Nebel zu füllen ... das sich ihm entzog, an dessen Erinnerung sich seine Gedanken jedoch mit Eifer hängten. Nein, nicht die eigenen Gedanken. Das schöne, lächelnde Gesicht einer Frau; das dunkle, zornige Gesicht eines Mannes. Eine Stimme, die seinen Namen sprach. Nicht seinen wirklichen Namen, sondern ... Es war schwierig zu sagen, welcher Name von Rechts wegen der seine war, welches Herz, welche Gedanken, welches Selbst ... Die Musik eines Spinetts trieb durch ein vertrautes Haus ... die Musik einer Harfe, deren Klänge zum Himmel hinaufschwebten ...
    Gerent befreite sich unter Schmerzen von diesen Erinnerungen, stieg zum unermesslichen leeren Himmel empor und fand sich blinzelnd und benommen in einem kleinen, warmen Zimmer wieder, in dem die sonnige Herbstbrise mit den Vorhängen am Fenster spielte und Tehre und ihr Vater beiderseits von Gerent standen. Er erinnerte sich sofort an Tehre, brauchte aber einen Augenblick, bis ihm Aben Annachudrans Name wieder einfiel.
    Auf dem Bett vor ihnen holte Beguchren tief Luft und öffnete die Augen.
    Neben Gerent stieß Annachudran einen leisen Laut aus.

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