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Der Grenzgänger

Der Grenzgänger

Titel: Der Grenzgänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Lehmkuhl
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machten. Es war ziemlich feucht und kalt und ich hatte mir den Kragen meiner Lederjacke eng um den Hals geschlungen. Die Hände tief in den Taschen vergraben, stapften wir die spärlich befahrenen, nassen Straßen entlang. „Was ist denn nun mit der Geschichte?“, fragte ich den Kommissar noch einmal gespannt.
    „Ich will sie Ihnen in wenigen Sätzen erzählen“, antwortete Böhnke bedächtig und kam sofort auf den Punkt. „Wir ermitteln seit einigen Monaten gegen einen Metzger aus der Region, der mit Filialen in fast jeder Stadt entlang der Rur vertreten ist; ein noch relativ junger Mann, der mit Pioniergeist und einem entsprechenden familiären Hintergrund in wenigen Jahren ein fast konkurrenzloses Imperium von Fleischerfachgeschäften aufgebaut hat.“
    Der Kommissar blieb am Straßenrand stehen und hielt mich am Ärmel fest, damit ich nicht auf die Fahrbahn lief. Er sah sich sorgsam um, ehe wir die Straße überquerten. „Wie so oft im Leben, bekommt auch der Jungunternehmer den Hals nicht voll, will immer mehr Geld scheffeln. Er importiert, so vermuten wir, unerlaubterweise billiges Rindfleisch aus dem Ausland nach Deutschland, packt es in seinen Zerlegungsbetrieben um und verkauft es dann mit Gewinn als deutsche Produkte. Wir nehmen auch an, dass er BSE-verseuchtes Fleisch aus Großbritannien nach Deutschland bringt oder gebracht hat.“
    Böhnke machte eine Atempause. „Nach unseren Ermittlungen wird er bei seinen lukrativen, aber verbotenen Geschäften von einem Freund unterstützt, dem eine Spedition gehört und der große landwirtschaftliche Flächen besitzt. Vermutlich transportiert dieser außerdem im Auftrag des Metzgers Schlachtvieh illegal über die Landesgrenzen, versorgt die Rinder für einige Zeit auf seinen Weiden und fährt sie dann zu den Weiterverarbeitungsbetrieben seines Kompagnons.“ Der Kommissar sah mich mit betrübten Augen an. „So weit haben wir ermittelt, aber uns fehlen immer noch die Beweise, um die beiden dingfest zu machen.“
    „Und über diesen Fall und die Ermittlungen schreibt Fleischmann in seinem Roman?“, stellte ich meine nicht unbedingt erforderliche Frage, zumal ich doch schon die Antwort kannte.
    Böhnke bestätigte mich nickend. „Genau darüber.“
    „Und die Lösung?“
    „Die ist sehr wahrscheinlich konstruiert. Bei Fleischmann geraten die beiden in Streit wegen des Geldes, der Metzger bringt den Spediteur um, wird aber überführt.“ Der Kommissar grinste gequält. „Was glauben Sie wohl, wie der Spediteur zu Tode kommt?“
    Für die Antwort brauchte ich keine lange Überlegungszeit. „Der Metzger hat seinen ehemaligen Freund im Fleischwolf zu einem Fleischklumpen verarbeitet und anschließend am Lahey-Park entsorgt.“
    „Genauso ist es, Herr Grundler. Mit einer Einschränkung. Der Lahey-Park wird namentlich nicht erwähnt.“
    „Wie sieht’s mit den Namen aus?“ Ich hatte keine allzu große Zuversicht, dass Böhnke sie mir nennen würde.
    Doch er überraschte mich: „Der Metzger heißt Hermann-Josef Schranz, sein Freund Wolfgang Willibald.“
    Beide Namen waren mir unbekannt.
    Schweigsam gingen wir weiter und steuerten Monschau an.
    War dieser Roman etwa der Schlüssel zur Aufklärung des Mordes an Renatus Fleischmann? Hatte der Metzger den Schriftsteller auf dem Gewissen? Hatte ein Mitwisser uns den Wink mit dem Zaunpfahl geben wollen? Stand der Lahey-Park als Symbol für einen Landbesitzer? Aber warum?
     
     
    Böhnke und ich hatten uns in einem Restaurant in Monschau niedergelassen und blickten von unserem Tisch aus dem Fenster hinaus auf die Rur.
     
     
    Lange suchte der Kommissar nach den passenden Worten, bevor er mit seinen Ausführungen begann. „Ich nehme an, die Veröffentlichung dieses Verbrechens sollte verhindert werden. Vermutlich hat jemand, vielleicht der Metzger oder dessen Freund, herausbekommen, dass Fleischmann diese Story recherchierte. In dem Glauben, Fleischmann habe die Geschichte noch nicht geschrieben, hat einer von ihnen den Autor umgebracht. Der Lahey-Park sollte nur eine makabre Randerscheinung sein, die uns in die Irre führen soll. Der Fundort sollte wahrscheinlich unsere Ermittlungen auf die Region Erkelenz lenken; gerade dort ist aber die Fleischerkette überhaupt nicht vertreten. Andererseits“, Böhnke rührte lange in seiner Kaffeetasse, „besitzt der Metzgerfreund zwischen Wegberg und Erkelenz einige Weideflächen. Von der niederländischen Grenze über Wassenberg ist es nur einen Katzensprung

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