Der Gringo Trail: Ein absurd komischer Road-Trip durch Südamerika
fuhr er fort. „The ch-ch-chil-il-dre-dre-dre-DREN a-a-a- a-T the bor-bor-de-de-DER. Ngha-ngha-murra-gnaa ...” Sogar wir merkten, dass der größte Teil seiner Rede unverständlich war. Die übrigen Passagiere hörten ihm andächtig zu. Als er schließ lich zum Ende kam, gab es eine kurze Pause, da alle abwarteten, ob er auch fertig war. Dann brach der ganze Bus in Applaus aus. Er verkaufte alle seine Süßigkeiten, obwohl ich bezweifle, dass irgendjemand auch nur die blasseste Ahnung hatte, für welchen Zweck man spendete.
Dann setzte er sich glücklich neben den Fahrer und seine Crew, die ihm mit der Hand durchs Haar fuhren, gutmütig seine Sprechweise imitierten und ihn schließlich in einem kleinen Dorf absetzten. Dann gab es den fetten Magier. Er war ein fettleibiger, schwitzen der Mann, der sich irgendwo südlich von Lima mit großer Mühe an Bord wuchtete. Sein gewaltiger Bauch hing über seine Hosen und tauchte dann wieder in der Lücke auf, wo in der Mitte seines Hemds ein Knopf fehlte. Seine Fliege war kaputt und nicht geschnürt.
Er stand vorne im Bus und zog Schals aus seinem Ärmel und Pingpong-Bälle aus seinem Mund und ließ Karten verschwinden, während er ständig Witze machte, die bei seinem teilnahmslosen Publikum keine Reaktionen hervorriefen. Schweiß strömte an ihm herab. Sein Hemd – es war schon zwei Größen zu klein – wurde vor Feuchtigkeit schon durchsichtig und klebte an seinem gewaltigen Bauch. Als er sich dem Finale näherte, bemerkte er ein hübsches junges Mädchen, das allein im vordersten Sitz saß und ein tief ausgeschnittenes Kleid trug. Er nutzte seine Chance und zog ein Dutzend Pingpong-Bälle aus der Mitte ihres Ausschnitts, wobei er seine fette, feuchte Hand jedes Mal nur eine Sekunde länger als nötig dort verweilen ließ. Das Mädchen schreckte jedes Mal zurück, wenn er seine plumpen Finger nach ihr ausstreck te, aber es gab kein Entkommen. Er schloss mit einer eleganten Geste und einer Verbeugung. Niemand gab ihm auch nur einen Sol , aber er bedankte sich trotzdem dafür, dass wir ein gutes Publikum gewesen waren, und wuchtete sich vom Fahrzeug, um auf den nächsten Bus zu warten. In Peru hatte man es schwer als rei sender Magier. Vor allem, wenn man schlecht war.
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Zurück in die Anden
Wir stoppten in Arequipa, um in den nächsten Bus umzustei gen; der Aufenthalt genügte gerade, um eine Bimbo zu trinken und ein Nonnenkloster zu besuchen. Perus zweite Großstadt war eine angenehme Überraschung, voll attraktiver Kirchen und weißer Häuser, die aus dem hier vorkommenden Vulkangestein gebaut worden waren. Arequipas Juwel ist aber das wunderbar erhaltene Santa-Catalina-Frauenkloster – es ist vielleicht das ein drucksvollste katholische Monument des Kontinents. „Wir besuchen ein … Frauenkloster ?!“ Mark sah mich ungläu big an. „So ein Blödsinn!“
Melissa gab ihm Recht. Sie verbrachten den Nachmittag schla fend in einer Pension. Ich ging trotzdem hin. Der Bus nach Cuzco brauchte weitere 20 Stunden; er kletterte landeinwärts die Anden hinauf. Als wir die Küste hinter uns lie ßen, fiel die Temperatur deutlich ab. Andere Passagiere zauberten Decken aus dem Nichts hervor. Wir zogen erst unsere Pullis an, dann unsere Ersatzpullis, bis wir all unsere Kleider anhatten. Dann packten wir uns in unsere Schlafsäcke, aber wir froren immer noch. Nach dem ohrenbetäubenden Gelächter zu urteilen, das aus den Lautsprechern plärrte, ließ der Fahrer eine Comedy-Kassette lau fen. Niemand im Bus lachte, aber es war die einzige Kassette, die er hatte, also ließ er sie eben laufen. An Schlaf war nicht zu denken. Kurz vor Mitternacht hielten wir an einem Straßenrestaurant. Straßenrestaurants in Peru funktionieren alle nach demselben Prinzip. Aus dem Bus ergießen sich die Fahrgäste in einen bis dahin leeren Raum; alles staut sich verzweifelt am Tresen. Man bezahlt und bekommt einen Fetzen Papier mit einer Nummer. Dann sitzt man da und wartet darauf, dass die Kellnerin mit dem Essen kommt.
Wenn man seine Bestellung nicht bald bekommt, sitzt man da und macht sich Sorgen, dass das Essen nicht rechtzeitig kommen könnte, bevor der Fahrer beschließt, abzufahren. (Der Fahrer wird natürlich sofort bedient.) Wenn der Fahrer fertig ist, schlendert er einfach zum Bus zurück und startet den Motor – normalerweise geschah das immer dann, wenn mein Essen gerade aus der Küche kam, sodass ich es in zwei verzweifelten Happen herunterwürgen musste.
Diesmal
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