Der Gringo Trail: Ein absurd komischer Road-Trip durch Südamerika
Springbrunnen in der Mitte gruppiert waren. In einer Ecke spielte ein Quartett in Abendkleidung Kammermusik. Dieses vornehme Cafe, das von bolivianischen Geschäftsleuten und schmuddeligen Rucksacktouristen bevölkert war, war mit einem durchsichtigen Plastikdach überdacht. Darüber erstreckte sich ein Labyrinth aus Korridoren und unerwarteten Treppen durch einen Komplex, der einmal aus verschiedenen Gebäuden bestanden haben musste. Unser Zimmer war ein Sperrholzquader ohne Fenster, und die Dielen im Korridor schienen jeden Fußtritt aus jedem Teil des Gebäudes aufzunehmen und zu verstärken.
Bevor wir einkaufen gingen, schlug ich vor, ein paar Rechnungen zu begleichen. Bis dahin hatte ich alles im Voraus bezahlt. Mark und Melissa sollten mir die Auslagen in regelmäßigen Abständen zurückzahlen. Aber Mark machte keinerlei Anstalten, seine Schulden freiwillig zurückzuzahlen.
Das irritierte mich, vor allem weil er den größten Teil seines Reisebudgets ohnehin von mir geliehen hatte. Er hinterfragte meine Liste wie ein schockierter Hotelgast eine gewaltige Rechnung von der Hotelbar. Die Liste reichte drei Wochen zurück. Mark wählte einen Posten ziemlich am Anfang. „Also erstens hatte ich keine zwei Eier, als wir in Lima gehalten haben. Und wie kommt es, dass das Essen in Arequipa fünf Soles gekostet haben soll. Was soll ich denn da gegessen haben, was fünf Soles gekostet hätte?“
Ich wusste nicht einmal mehr, was ich an diesem Morgen zum Frühstück gegessen hatte, geschweige denn, was Mark vor drei Wochen in Lima gegessen hatte. Mark fuhr fort, Löcher in meine Liste zu hacken. „Mir fällt auf“, kommentierte er, „dass du ständig kleine Extrabeträge zu diesen Zahlen hinzufügst.“ Ich war verblüfft. Der Gedanke, dass ich Mark um ein paar Cent betrügen wollte, war einfach zu absurd, um auch nur daran zu denken. Schließlich ging es hier nur um ein paar Dollar – oder weniger. Ich spürte, dass es Mark nervte, Schulden bei mir zu haben. Ihn nervte der implizite Druck, dankbar sein zu müssen. Er war so sehr entschlossen, stärker und besser zu sein als jeder andere, dass er sich von dem Gedanken bedroht fühlte, Hilfe annehmen zu müssen. Für ihn war es eine Anschuldigung: Es hob hervor, dass er nicht selbst zurechtkommen konnte.
„Erzähl mir nichts von dem Dankbarkeits-Unsinn. So etwas wie uneigennütziges Verhalten gibt es nicht“, vernünftelte er. „Jeder erwartet eine Rendite, ob er es zugibt oder nicht. Ich gebe das nur zu. Du hast mir das Geld geliehen, damit du auf dieser Reise jemanden dabei hast, der eine echte Persönlichkeit hat.“ „Hör mal Mark, du benimmst dich wie ein egozentrisches kleines Kind. Werd einfach erwachsen. Diese verdammte Abmachung haben wir doch nur getroffen, weil du zu faul bist, genug Geld zu tauschen. Also, du solltest besser gleich was tauschen, denn ich werde dir keinen Cent mehr leihen.“
Mark starrte mich an.
„Und“, sagte er, „du pumpst mich immer wegen Drogen an. Mir fällt auf, dass ich immer das Koks besorgen und alle Risiken auf mich nehmen muss. Also, wann besorgst du endlich mal den Stoff?“
„Hey, ihr zwei“, unterbrach Melissa. „Wir haben noch Einkäufe zu erledigen.“
Wir trennten uns. Ich schickte Melissa und Mark zusammen los, weil ich keinem von beiden zutraute, es alleine auf die Reihe zu bekommen. Ich machte mich auf, um meinen Teil der Einkäufe auf den Märkten hinter der Kirche des Heiligen Franziskus zu machen. Ich machte einen Umweg über den Hexenmarkt, wo ein paar Stände in einer engen Gasse Glücksbringer und getrocknete Lama-Föten verkauften. Sie waren keine zehn Zentimeter lang und wirkten wie makabre Puppen. Wenn man sie im Fundament eines neuen Hauses vergrub, sollten sie Glück bringen. Es gab noch andere merkwürdig anmutende Dinge in Gläsern: Wurzeln, Perlen, Haare, Steine und Statuen, die von Wohlstand und Gesundheit bis hin zu guten Noten alles Mögliche garantierten. Ich kaufte eine winzige Statue eines kopulierenden Paares – ein Talisman, der mich (so die Verkäuferin) für Frauen unwiderstehlich machen würde. Man weiß nie, wann man so etwas mal braucht. („Wenn du eigenen Charme hättest, würdest du so etwas natürlich nicht nötig haben“, kommentierte Melissa später, als ich sie ihr zeigte.) Ich fragte mich, ob sie etwas hatten, was ich gegen Mark einsetzen konnte.
Auf dem Rückweg machte ich an einem Süßigkeiten-Stand halt. Er war mit einem rund zehnjährigen Jungen mit
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