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Der große Blowjob (German Edition)

Der große Blowjob (German Edition)

Titel: Der große Blowjob (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Mattei
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empfindet, warum sollte sie auch? Von Freundschaft kann wirklich nicht die Rede sein, obwohl wir ein paarmal zusammen was trinken waren, aber immer auf Spesen. Vielleicht ist das eine gute Definition von Freundschaft: wenn man mit jemandem was trinken geht und nicht die Firma dafür bezahlt, sondern man selbst. So gesehen waren wir keine Freunde. Was die Sache zusätzlich verkomplizierte, war der Abend, an dem wir beide total betrunken waren und am Eingang zum F-Train ungefähr fünf Sekunden heftig herumgeknutscht haben. Das ist zwar nie passiert, aber ich habe es mir so lebhaft vorgestellt, dass ich manchmal denke, es wäre wirklich geschehen. Wie würde sie wohl reagieren, wenn ich zu ihr sagen würde: Stopp, Helen, bitte lass uns aufhören mit dieser Grausamkeit, mit dieser seelenlosen Arbeit, die uns beide fertigmacht, vergiss deinen Freund, den kein Mensch je gesehen hat, vergiss diesen beknackten Laden und diese beknackte Stadt, lass uns zusammen nach Sebastopol ziehen, uns irgendwelche komplett anspruchslosen Jobs suchen und einfach nur leben wie ganz normale Leute? Was würde sie darauf antworten? Nichts wahrscheinlich, sie würde denken, ich bin übergeschnappt, das denkt sie ja jetzt schon, aber vielleicht würde sie das gar nicht denken, vielleicht denkt sie das gar nicht von mir, vielleicht denkt sie eher, sie und ich, wir sitzen in einem Boot und gehen zusammen unter.
    «Es sieht übel aus», sagt sie schließlich.
    «Was?»
    «Sie ist gestern nicht wieder zur Arbeit erschienen, sie hat sich behandeln lassen und ist vom Krankenhaus aus direkt nach Hause gefahren. Ich habe am Abend mit ihr telefoniert. Sie wäre müde und müsste sich ausruhen, hat sie gesagt, würde aber heute wieder in die Agentur kommen.»
    «Das klingt doch gar nicht so übel», sage ich.
    «Lassen Sie mich ausreden», sagt sie. «Ich reiße mich nicht darum, Sie in Barrys Büro zu begleiten, das ist mir genauso unangenehm wie Ihnen. Ich habe mit dem Arzt im Mount Sinai telefoniert, er hat gesagt, ihre Prellung ist nicht weiter tragisch, dass sie problemlos heilen wird, aber auch, dass sie durch die Einwirkung eines faustähnlichen Objekts verursacht worden sein könnte.»
    «Was ist ein faustähnliches Objekt?», frage ich. Der Begriff ist leicht porno, und normalerweise hätte ich dazu jetzt eine angemessen anzügliche Bemerkung gemacht, aber das ist der falsche Zeitpunkt, und ich werte das als Zeichen meines persönlichen Wachstums. Sie sieht mich an, als wäre ich ein Idiot. «Nein, ernsthaft, ich habe nicht die geringste Ahnung, helfen Sie mir», flehe ich.
    «Sie hat einen Faustschlag ins Gesicht bekommen!», sagt sie.
    «Tatsächlich?»
    «Sie sollten jetzt wirklich aufhören, mich anzulügen, Eric!», faucht sie, und in der Einsicht, dass es jetzt um alles oder nichts geht, beschließe ich, die Emo-Keule rauszuholen. Ich sehe sie eindringlich an, blicke ihr direkt Auge in Auge.
    «Ich bitte Sie nur um eine Sache», sage ich. «Nein, eigentlich zwei.»
    «Und zwar?»
    «Nein, falsch, es ist doch nur eine, das nehme ich zurück. Weil ich Sie schlecht bitten kann, mir einfach zu glauben, nicht wahr, weil Sie mich ja kennen und wissen, dass ich ein Lügner bin. So oft, wie Sie mich haben lügen hören, bei all den Leuten, die wir dieses Jahr schon feuern mussten, von unseren Kunden ganz zu schweigen. Warum also sollten Sie mir ausgerechnet jetzt glauben, korrekt?»
    «Also, was wollen Sie?», fragt sie.
    «Tun Sie mir einen Gefallen: Lassen Sie mich unter vier Augen mit Barry reden, nur eine Viertelstunde. Die Sache lässt sich noch bereinigen, das verspreche ich Ihnen.»
    «Sie wiederholen sich», sagt sie und erwidert meinen Blick, ohne zu blinzeln.
     
    Im Flur rieche ich den Rauch, der aus Barrys Ecke dringt. Trotz der einschlägigen Gesetze, die seit Jahrzehnten in Kraft sind, qualmt er immer noch in seinem Büro. Als ich den Raum betrete, telefoniert er über Freisprechanlage, isst ein fettiges Eier-und-Wurst-Sandwich und raucht eine Newport Lite, wobei er sich nach jedem Zug zu dem Rauchfresser vorbeugt, der am Rand seines großen Schreibtischs steht, ein Ungetüm aus schwarzem Schleiflack, das um 1983 herum modern gewesen sein dürfte. Der Rauchfresser (möglicher Slogan: SOLLEN DIE DOCH RAUCH FRESSEN ™ , nein, eher nicht, vielleicht: GENIESSEN SIE IHRE SUCHT, BEGLEITET VON EINEM NERVTÖTENDEN SUMMEN ™ ) sieht aus wie ein Reiskocher, bloß in kleiner, und erinnert an diese Geräuscherzeuger, die man neben sein Bett

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