Der große Blowjob (German Edition)
worauf ich dann einen Deal mit Barry mache, dass, falls ich mich bereit erkläre, umsonst zu arbeiten, mein Gehalt unter Juliette und den anderen aufgeteilt wird oder so was in der Art. Was ich unter anderem an L. A. gut finde, immer schon, ist, dass man immer weiß, in welche Richtung man läuft: Hier draußen geht die Sonne im Osten auf und im Westen unter, gar kein Zweifel, und im Osten sind Hügel, im Westen ist ein Ozean. Ganz einfach. Wenn man den Strand sehen kann und in die entgegengesetzte Richtung läuft, kommt man zu den Hügeln. Wenn man die Hügel sehen kann und in die entgegengesetzte Richtung läuft, kommt man zum Strand. Und genau das mache ich. Ich sehe die Hügel und ich orientiere mich von ihnen weg, obwohl vom Gebäude des Medical Center aus keine Durchgangsstraße abzweigt, also muss ich quer über den UCLA -Campus laufen. Als ich zum Sunset Boulevard komme, ist nicht klar, in welche Richtung es zum Ozean geht, weil der Sunset hier in der Gegend irgendwie kurvig ist. Soweit ich mich erinnere, trifft er ziemlich weit nördlich von Santa Monica auf den Strand, und da das Shutters am südlichen Ende von Santa Monica steht, gehe ich nach rechts. Ich komme ja bestimmt zu einer anderen größeren Querstraße und nehme die dann Richtung Wasser. Doch als ich auf dem Sunset loslatsche und Autos an mir vorbeirasen, unterwegs zur I - 405 und zu ihren Jobs weiter östlich oder im Valley bei den großen Filmstudios, merke ich, dass ich auf dem Sunset gar nicht wirklich langlaufen kann, denn es gibt keinen Gehweg, zumindest hier in Westwood, also muss ich auf Seitenstraßen ausweichen.
Ich biege vom Sunset in die Loring Avenue ab, wunderschöne Häuser aus den Vierzigern. Ich bin der einzige Mensch, der zu Fuß unterwegs ist, und mir ist klar, dass ich mich damit verdächtig mache. Deshalb biege ich in die Thayer Street ab und gehe weiter in Richtung Süden. Dann biege ich rechts in die Westholme Avenue ab, auf der ich die Mexikaner zähle, die die Auffahrt ihrer Arbeitgeber mit Luftgebläsen reinigen. Ich bin inzwischen bei vier, und einige Minuten später, am Ende der Westholme, biege ich an einer kleinen Kurve links in die Hills Street ab. Nach ein paar Minuten komme ich wieder zur Loring Avenue und merke, dass ich in einem großen Kreis gelaufen bin. Ich habe mich nicht direkt verlaufen, obwohl ich ohne mein Handy keine Ahnung habe, wo ich bin. Mir fällt ein, was sie mir erzählt hat, dass man, wenn man in der Wüste ist und geradeaus losläuft, tatsächlich, ohne es zu wissen, in einem Kreis läuft und irgendwann wieder am Ausgangspunkt ankommt. Das also passiert hier gerade. Ich gehe weiter, bis ich zur Hilgard Avenue komme, biege dort ab und laufe bis zum Wilshire Boulevard. Den Wilshire kenne ich, und er ist breit. Hier fährt ein Bus, es gibt keine Rasenflächen oder pneumatischen Mexikaner, diese Route sollte also etwas direkter sein. Als ich zum Pico Boulevard komme, bleibe ich an der Ampel stehen, weil mir einfällt, dass man in L. A. sogar einen Strafzettel bekommt, wenn man bei Rot über die Straße läuft. Ich habe keine Ahnung, in welche Richtung ich gehen soll, aber danach zu urteilen, wo die Sonne steht, wende ich mich nach rechts. Ich marschiere los.
Nach einer Stunde wird mir klar, dass ich längst am Strand hätte ankommen müssen, das war also offensichtlich die falsche Richtung. Ich bewege mich nach Osten, auf Downtown L. A. zu. Es ist erstaunlich, was man alles verpasst, wenn man hier im Auto unterwegs ist. In jedem Block gibt es zwei oder drei Einkaufspassagen auf beiden Seiten der Straße, und jede ist eine Art hochcodiertes, verhülltes Behältnis menschlicher Hoffnungen und Träume. Jede einzelne ist ein Zola-esker, Balzac-mäßiger Dickens-Roman, ein Kompendium, eine reiche Ansammlung von Geschichten, die bei oberflächlicher Betrachtung unverbunden und zufällig scheinen, aber bei genauerem Blick erkennt man die Fäden, die sie zu einer Tapisserie menschlicher Erzählung und Gefühle verweben. Ich stehe an der Kreuzung Pico und Sepulveda Boulevard. Es gibt einen SuperCuts, SRS Shoes, Beds Etc, Good Feet, La Salsa Mexican Restaurant, und das alles bloß an einer einzigen Ecke. Ein kleines Stück weiter, LA Overhead Garage Doors. Und ein Stück weiter davon Pet Supplies 4 You. Ich könnte hier stehen und eine Million Geschichten über diese Läden erfinden, über die Leute, die sie aufgemacht haben, die Kunden, die hier seit Jahren herkommen. Oder ich könnte einfach meine
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