Der große Blowjob (German Edition)
. Da mein Mietvertrag noch zwei Monate läuft, ich mich aber mit dem Vermieter nicht über die vorzeitige Kündigung einigen konnte, zahle ich nun, damit die Bude leer steht. Jetzt, wo alles fort ist – den kleinen Kaktus habe ich als Letztes in meinem Rimowa verstaut –, sehe ich noch ein, zwei Momente lang aus den Fenstern, auf die Skyline von Manhattan. Das kommt mir wie die richtige Abschiedsgeste vor. Ich zähle vier private Helikopter, die über dem East River schweben. Ein Zeichen, dass sich die Wirtschaft wieder erholt, aber nicht für alle.
Aus irgendeinem Grund möchte ich nicht fort, noch nicht gleich.
Ich habe den restlichen Nachmittag frei, und ich überlege, ob ich Dr. Look vor meiner Abfahrt noch einen Besuch abstatten soll, vielleicht, um darüber zu reden, was ich Sabine und ihrem plötzlichen, aber nicht komplett überraschenden Geständnis gegenüber empfinde – dass mit Tom irgendwas nicht ganz astrein war, wusste ich irgendwie. Davon abgesehen aber muss ich zugeben, dass ich überrascht war, so verarscht worden zu sein. Oder vielleicht sollte ich Look einfach erklären, dass die Geschichte über meine Mom erfunden war, eine Lüge, die irgendwie dann doch die Wahrheit erzählt. Es gibt andere Geschichten, die ich ihm hätte erzählen können und die ich noch immer erzählen könnte. Ich krame seine Karte aus einem Ordner mit sogenannten wichtigen Unterlagen heraus. Ich wähle, und eine schrille Stimme erklärt mir, dass der Anschluss stillgelegt ist, bitte legen Sie auf und versuchen Sie es erneut. Ich werfe seine Karte ins Klo und leere auch meine letzten Bestände in die Schüssel, bevor ich spüle: Xanax, Klonopin, Adderall, Oxy-Contin, Percocet, Adivan, Zoloft, Wellbutrin und Advil. Dann schnappe ich mir meine Airline-Reisetasche im Sixties-Stil, in Vachetteleder aktualisiert von Rag & Bone. Soll ich das Licht im Bad ausschalten, ehe ich gehe? Ich lasse es aber an, und gehe hinaus zu den Aufzügen. Mein Handy klingelt. An der 212 er-Nummer sehe ich, dass es schon wieder die Polizeiwache ist. Ich hatte ihnen erklärt, mehrfach, dass ich meinen Angreifer nicht richtig gesehen habe und nicht mal sagen könnte, welcher Rasse er war, oder wie groß, oder was er anhatte, oder ob er eine Frau war. Aber irgendetwas an meiner Phantasiegeschichte muss ihnen wie eine Lüge vorgekommen sein, weil sie mir immer wieder hartnäckige Fragen dazu stellen. Ich nehme den Anruf nicht an und verlasse das Gebäude namens Krave, zum allerletzten Mal.
3.26
Es regnet noch immer, während ich in dem Range Rover nach Westen fahre. Ich habe die Stadt durch den Holland Tunnel verlassen und bin in New Jersey von der Schnellstraße auf die Interstate 80 aufgefahren. Und ab da fing der Regen an, zunächst nur ein leichtes Nieseln, und dann war der Himmel nur noch dreckig verschmiert, und das Wasser kam in langen, heulenden Salven von allen Seiten. Die Interstate führt von hier aus mehr oder weniger schnurgerade bis nach Chicago. Kurz hinter dem Delaware Water Gap lege ich in einer Stadt namens Bartonsville, Pennsylvania, einen Tankstopp ein und checke mein Handy. Keine Nachrichten. Eigentlich hatte ich geplant, die gesamte Fahrt in einem Stück, einem sehr langen Tag und Abend, hinter mich zu bringen, aber das Wetter bremst mich aus. Gegen sechs Uhr abends bin ich noch mitten in Ohio. Bald kommt die Ausfahrt nach Youngstown. Mein Vater hat sich von dem Haus, in dem wir aufgewachsen sind, vor einigen Jahren endlich befreit, nachdem er auch seine Firma verkloppt hatte. Er war dann nach Jackson Hole gezogen, wo er sich ein Blockhaus mit gut tausendeinhundert Quadratmetern Wohnfläche zugelegt hat, das früher mal Barbra Streisands Schwester gehört hat. Da ich ohnehin gerade hier bin, wäre es wohl nur angemessen, die Nacht in der Nähe des Ortes zu verbringen, in dem ich groß geworden bin. Und wozu mich abhetzen? Die Leo Burnett Company, wo ich bald als einer von zwei Executive Creative Directors den McDonald’s-Account betreuen werde, rechnet ohnehin erst nächste Woche mit mir. Da macht es also eigentlich keinen Unterschied, ob ich einen Tag früher oder später dort auftauche. Tatsächlich war ich erst einmal in Chicago, die Zwischenstopps am O’Hare Airport nicht mitgerechnet. Ich fand es immer reizend dort, wenn auch irgendwie verschlafen. Burnett braucht dringend einen Neustart, und sie hatten Lynette, meine Headhunterin, schon längere Zeit genervt. Nach etwas Gezerre habe ich das Angebot angenommen,
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