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Der Grosse Eisenbahnraub: Roman

Der Grosse Eisenbahnraub: Roman

Titel: Der Grosse Eisenbahnraub: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Crichton
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Kutschern, die fluchend und schimpfend auf ihre Pferde einhieben.
    Inmitten dieses geräuschvollen Verkehrs begannen die Straßenkehrer ihre Tagesarbeit. In der stark nach Ammoniak riechenden Luft fegten sie, vorsichtig zwischen Omnibussen, Kutschen und Karren lavierend, die ersten Pferdeäpfel auf. Sie hatten genug zu tun: Henry Mayhew zufolge ließ jedes Londoner Pferd jährlich sechs Tonnen Mist auf die Straßen der Stadt fallen – und es gab mindestens eine Million Pferde in London. Mitten durch diesen Wirrwarr rollten einige wenige elegante
    Kutschwagen aus glänzendem, schwarzlackiertem, auf Hochglanz poliertem Holz. Diese sanft gefederten Gefährte mit kunstvoll gearbeiteten Speichenrädern beförderten ihre Insassen, Herren mit Rang und Namen, höchst komfortabel ihren Pflichten entgegen.
    Pierce und Agar, die auf dem Dach eines der Huddleston & Bradford-Bank gegenüberliegenden Hauses kauerten, beobachteten, wie eine solche Kutsche sich auf der unter ihnen liegenden Straße dem eindrucksvollen Bankgebäude näherte.
    »Da ist er«, sagte Agar.
    Pierce nickte. »Nun, bald wissen wir Bescheid.« Er blickte auf seine Uhr. »Acht Uhr neunundzwanzig. Pünktlich wie immer.«
    Pierce und Agar hielten sich seit Tagesanbruch auf dem Dach auf. Sie hatten die frühe Ankunft der Schalterbeamten und der Buchhalter beobachtet; sie hatten gesehen, wie der Verkehr auf der Straße und das Gedränge auf den Bürgersteigen mit jeder Minute dichter und eiliger geworden war.
    Jetzt rollte die Kutsche vor der Eingangstür der Bank aus, und der Kutscher sprang vom Bock, um den Schlag zu öffnen. Der Seniorchef von Huddleston & Bradford stieg aus. Mr. Edgar Trent ging auf die Sechzig zu. Er hatte einen grauen Bart und trug einen beachtlichen Embonpoint vor sich her. Ob er wirklich kahl wurde oder nicht, konnte Pierce nicht ausmachen, denn Mr. Trents Kopf bedeckte ein Zylinder.
    »Ein fetter Kerl, was?« sagte Agar.
    »Achtung, jetzt«, sagte Pierce.
    In genau dem Augenblick, in dem Mr. Trent auf den Bürgersteig trat, wurde er von einem gutgekleideten jungen Mann grob angerempelt. Dieser murmelte eine kurze Entschuldigung über die Schulter und eilte mit den anderen Passanten weiter. Mr. Trent ignorierte den Zwischenfall.
    Er ging die wenigen Schritte auf die imposanten Eichentüren der Bank zu.
    Dann blieb er plötzlich wie angewurzelt stehen.
    »Es hat gewirkt«, sagte Pierce.
    Trent blickte hinter dem gutgekleideten jungen Mann her, klopfte im gleichen Augenblick gegen die Seitentasche seiner Jacke und tastete nach einem bestimmten Gegenstand. Was er suchte, war offenbar immer noch an seinem Platz; er ließ die Schultern erleichtert sinken und setzte seinen Weg ins Bankgebäude fort.
    Die Kutsche rollte davon; die schweren Türen drüben schlossen sich wieder.
    Pierce lächelte breit und wandte sich Agar zu. »Nun«, sagte er, »das wär’s.«
    »Was?« fragte Agar.
    »Was wir wissen wollten.«
    »Und was wollten wir denn wissen?« sagte Agar.
    »Wir wollten wissen, ob Mr. Trent heute seinen Schlüssel mitgebracht hat«, sagte Pierce langsam, »denn heute ist der Tag …« Er brach mitten im Satz ab. Er hatte Agar noch nicht in seinen Plan eingeweiht und wollte das auch erst in der allerletzten Minute tun. Ein Mann wie Agar, der zum Trunk neigte, konnte leicht zur Unzeit schwatzen. Was ein Trinker aber nicht wußte, konnte er auch nicht preisgeben.
    »Was für ein Tag?« hakte Agar nach.
    »Der Tag der Abrechnung«, sagte Pierce.
    »Sie sind reichlich zugeknöpft, das muß ich sagen«, bemerkte Agar. Und dann fügte er hinzu: »War das nicht Teddy Burke, der einen Griff versuchte?«
    »Wer ist Teddy Burke?« fragte Pierce.
    »Ein Taschendieb, der auf dem Strand sein Revier hat.«
    »Wie sollte ich den kennen«, murmelte Pierce, worauf die beiden Männer das Dach verließen.
    »Mein Gott, aus Ihnen kriegt man aber auch gar nichts raus«, sagte Agar. »Das war Teddy Burke.« Pierce lächelte nur.
    In den folgenden Wochen erfuhr Pierce eine ganze Menge über Mr. Trent und dessen Tageseinteilung. Mr. Trent war ein recht gestrenger und gottesfürchtiger Mann; er trank mit Maßen, rauchte nicht und spielte auch nie Karten. Er war Vater von fünf Kindern. Seine erste Frau war vor einigen Jahren im Kindbett gestorben. Seine zweite Frau, Emily, war dreißig Jahre jünger als er und eine stadtbekannte Schönheit, dabei aber ebenso fromm und sittsam wie ihr Mann.
    Die Trents residierten in der Brook Street 17 in Mayfair.
    Sie bewohnten

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