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Der große Gatsby (German Edition)

Der große Gatsby (German Edition)

Titel: Der große Gatsby (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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sich jenes seltsam unwirkliche Gefühl, mit dem man eine bis dahin geisterhafte Berühmtheit aus der Filmwelt wiedererkennt.
    »Sie ist bezaubernd«, sagte Daisy.
    »Der Mann, der sich über sie beugt, ist ihr Regisseur.«
    Gatsby führte sie feierlich von Gruppe zu Gruppe:
    »Mrs. Buchanan… und Mr. Buchanan…« Nach kurzem Zögern fügte er hinzu: »…der Polospieler.«
    »O nein«, wehrte Tom rasch ab. »Nicht doch.«
    Aber Gatsby schien diese Wendung zu gefallen, denn für den Rest des Abends blieb Tom »der Polospieler«.
    »Ich habe noch nie so viele berühmte Leute getroffen!«, rief Daisy aus. »Der Mann dort, mit der etwas bläulichen Nase – wie heißt er noch gleich –, der gefällt mir.«
    Gatsby nannte ihr seinen Namen und fügte hinzu, er sei ein kleiner Produzent.
    »Ach, er gefällt mir trotzdem.«
    »Mir wär’s lieber, nicht der Polospieler zu sein«, sagte Tom freundlich. »Lieber würde ich mir all die berühmten Leute hier in… inkognito ansehen.«
    Daisy und Gatsby tanzten. Ich entsinne mich, dass sein anmutiger, konservativer Foxtrott mich überraschte – ich hatte ihn noch nie zuvor tanzen sehen. Dann schlenderten sie zu meinem Haus hinüber und saßen eine halbe Stunde lang auf der Treppe, während ich auf ihre Bitte hin im Garten Wache hielt: »Für den Fall eines Feuers oder einer Flut«, erklärte sie, »oder sonst einer Naturkatastrophe.«
    Tom tauchte aus seinem Inkognito wieder auf, als wir uns gemeinsam zum Essen begaben. »Stört es dich, wenn ich mich zu ein paar Leuten dort drüben setze?«, fragte er. »Da hat jemand ein paar lustige Geschichten auf Lager.«
    »Geh ruhig«, antwortete Daisy freundlich. »Und falls du dir irgendwelche Adressen notieren möchtest – hier ist mein kleiner goldener Stift.« Nach einer Weile schaute sie sich um und sagte, das Mädchen sei »gewöhnlich, aber hübsch«, und da wusste ich, dass sie sich abgesehen von der halben Stunde, in der sie mit Gatsby allein gewesen war, bisher nicht gut amüsiert hatte.
    Wir saßen in einer besonders feuchtfröhlichen Runde. Das war meine Schuld – Gatsby war ans Telefon gerufen worden, und ich hatte erst zwei Wochen zuvor mit denselben Leuten recht vergnügt beieinandergesessen. Doch was mir damals unterhaltsam erschienen war, bekam jetzt unversehens einen bitteren Beigeschmack.
    »Wie geht es Ihnen, Miss Baedeker?«
    Die so Angesprochene versuchte gerade erfolglos, sich an meine Schulter sinken zu lassen. Als sie die Frage hörte, richtete sie sich auf und öffnete die Augen.
    »Waaas?«
    Eine beleibte, lethargische Frau, die Daisy zuvor gedrängt hatte, am nächsten Tag im örtlichen Club mit ihr Golf zu spielen, kam Miss Baedeker zu Hilfe:
    »Ach, ihr geht’s gut. Nach fünf oder sechs Cocktails fängt sie jedes Mal so an zu kreischen. Ich sage ihr immer, sie soll nichts trinken.«
    »Ich trinke ja gar nichts«, erklärte die Angeklagte tonlos.
    »Wir haben Sie schreien hören, und ich hab zu Doc Civet gesagt: ›Da braucht wohl jemand Ihre Hilfe, Doc.‹«
    »Sie ist Ihnen sicherlich sehr verbunden«, sagte eine andere Freundin kühl. »Aber Sie haben ihr das Kleid ganz nass gemacht, als Sie ihren Kopf in den Pool gesteckt haben.«
    »Wenn ich etwas hasse, dann, mit dem Kopf in den Pool gesteckt zu werden«, nuschelte Miss Baedeker. »In New Jersey haben sie mich mal beinahe ertränkt.«
    »Dann sollten Sie nichts trinken«, konterte Doktor Civet.
    »Schauen Sie sich doch selbst an!«, kreischte Miss Baedeker. »Ihre Hand zittert ja. Ich würde mich nicht von Ihnen operieren lassen!«
    So war die Stimmung. Ungefähr das Letzte, woran ich mich erinnere, war, wie ich neben Daisy stand und den Filmregisseur und seinen Star beobachtete. Sie saßen immer noch unter dem Pflaumenbaum, und wäre der blasse, dünne Strahl Mondlicht nicht zwischen ihnen gewesen, hätten ihre Gesichter sich berührt. Mir schien, dass der Mann sich im Laufe des Abends ganz allmählich immer weiter zu der schönen Frau hingeneigt hatte, um ihr so nahe zu kommen, und noch während ich hinschaute, sah ich, wie er sich einen letzten Millimeter vorbeugte und ihre Wange küsste.
    »Sie ist toll«, sagte Daisy. »Ich finde sie bezaubernd.«
    Doch alles andere erregte ihr Missfallen – und darin blieb sie fest, denn es war kein Gestus, sondern ein Gefühl. Sie war entsetzt über West Egg, dieses beispiellose Kuckucksei von einem »Ort«, das der Broadway einem Fischerdorf auf Long Island ins Nest gelegt hatte – entsetzt über die

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