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Der große Gatsby (German Edition)

Der große Gatsby (German Edition)

Titel: Der große Gatsby (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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Hand.
    »Wir sollten lernen, einem Mann unsere Freundschaft zu beweisen, solange er lebt, und nicht erst, wenn er tot ist«, erklärte er. »Ich jedenfalls mische mich dann lieber nicht mehr ein.«
    Als ich sein Büro verließ, hatte der Himmel sich verdunkelt, und bei meiner Ankunft in West Egg nieselte es. Nachdem ich mich umgezogen hatte, ging ich hinüber und traf Mr. Gatz an, der begeistert in der Halle hin und her lief. Sein Stolz auf seinen Sohn und dessen Eigentum wuchs unaufhörlich, und er wollte mir unbedingt etwas zeigen.
    »Jimmy hat mir einmal dieses Bild hier geschickt.« Er holte mit zittrigen Fingern seine Brieftasche hervor. »Schauen Sie.«
    Es war ein Foto von Gatsbys Haus, mit Eselsohren und Fingerabdrücken vom vielen Anfassen. Aufgeregt wies er mich auf jede Einzelheit hin – »Schauen Sie!« – und sah mich immer wieder Bewunderung heischend an. Mir schien, als hätte er es so oft herumgezeigt, dass es für ihn inzwischen wirklicher war als das Haus selbst.
    »Jimmy hat es mir geschickt. Ein sehr schönes Bild, finde ich. Gut getroffen.«
    »Sehr gut. Haben Sie ihn in letzter Zeit noch einmal gesehen?«
    »Vor zwei Jahren hat er mich besucht und mir das Haus gekauft, in dem ich jetzt wohne. Als er damals durchbrannte, war’s natürlich aus zwischen uns, aber jetzt sehe ich, dass er einen guten Grund dafür hatte. Er wusste, was für eine große Zukunft vor ihm lag. Und seit der Erfolg da war, ist er mir gegenüber immer sehr großzügig gewesen.«
    Er bekam gar nicht genug von dem Bild und hielt es mir eine weitere Minute lang vor die Nase. Schließlich steckte er seine Brieftasche wieder weg und förderte ein zerfleddertes altes Buch mit dem Titel Hopalong Cassidy aus seiner Jackentasche zutage.
    »Schauen Sie mal, das hat früher ihm gehört. Es sagt alles.«
    Er klappte den hinteren Buchdeckel auf und drehte das Buch so herum, dass ich lesen konnte, was dort stand. Auf der letzten Seite sah ich das Wort stundenplan, daneben das Datum 12. September 1906. Und darunter:
Aufstehen
6 Uhr
Hanteltraining, Kletterübungen
6.15–6.30 Uhr
Elektrizitätslehre etc. lernen
7.15–8.15 Uhr
Arbeiten
8.30–16.30 Uhr
Baseball und Sport
16.30–17 Uhr
Freie Rede und sicheres Auftreten üben
17–18 Uhr
Über nötige Erfindungen nachdenken
9–21 Uhr
     
     
    ALLGEMEINE VORSÄTZE
     
Keine Zeit vergeuden bei Shafters oder (unleserlicher Name)
Keine Zigaretten, kein Kautabak
Alle zwei Tage baden
Jede Woche ein gutes Buch oder eine anspruchsvolle Zeitschrift lesen
$ 5 (durchgestrichen) $ 3 pro Woche sparen
Eltern netter behandeln
    »Ich hab das Buch zufällig gefunden«, sagte der alte Mann. »Aber es sagt alles, oder?«
    »Ja, es sagt alles.«
    »War ganz klar, dass aus Jimmy mal was werden würde. Er hatte immer irgendwelche Vorsätze oder so was. Sehen Sie, wie er’s darauf anlegt, sich zu bilden? Darin war er schon als Junge ganz groß. Einmal hat er mir gesagt, ich fräße wie’n Schwein, und ich hab ihn dafür geschlagen.«
    Er mochte das Buch gar nicht wieder zuklappen; er las jede einzelne Zeile laut vor und schaute mich dann erwartungsvoll an. Ich glaube, halbwegs hoffte er, ich würde die Liste für meinen eigenen Gebrauch abschreiben.
    Kurz vor drei traf der lutherische Geistliche aus Flushing ein, und unwillkürlich blickte ich immer wieder aus dem Fenster, um nach weiteren Wagen Ausschau zu halten. Gatsbys Vater tat das Gleiche. Und als es immer später wurde und die Angestellten hereinkamen und in der Eingangshalle standen, begann er nervös mit den Augen zu blinzeln und sprach auf beklommene, ängstliche Weise vom Regen. Der Geistliche schaute ein paarmal verstohlen auf seine Uhr, bis ich ihn beiseitenahm und ihn fragte, ob er noch eine halbe Stunde warten könne. Aber es war zwecklos. Niemand kam.
    Gegen fünf Uhr erreichte unsere Prozession aus drei Wagen den Friedhof und hielt im dichten Nieselregen vor dem Tor – vorne ein Leichenwagen, schauderhaft schwarz und naß, dahinter Mr. Gatz, der Geistliche und ich in einer Limousine und ein wenig später vier oder fünf Angestellte sowie der Postbote aus West Egg in Gatsbys Kombiwagen, allesamt nass bis auf die Haut. Als wir gerade durch das Tor auf das Friedhofsgelände gingen, hörte ich einen Wagen anhalten, und kurz darauf spritzte jemand über den durchweichten Boden hinter uns her. Ich drehte mich um. Es war der Mann mit der Eulenaugen-Brille, der an jenem Abend vor drei Monaten die Bücher in Gatsbys Bibliothek bestaunt

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