Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der grosse Horizont

Der grosse Horizont

Titel: Der grosse Horizont Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Roth
Vom Netzwerk:
Als Haid ihn fotografieren wollte, klemmte der Transporthebel seiner Kamera. Der Konfuzius stand noch immer vor ihm und wollte sich fotografieren lassen. Haid gab vor, ihn zu fotografieren und steckte die Kamera in die Manteltasche. Als er sie hinter der nächsten Ecke wieder herausnahm, öffnete sich der Eisenhaken zum Tragband. Haid versuchte den Eisenhaken zusammenzudrücken, war jedoch nicht dazu imstande. Er biß auf das Eisenstückchen und rutschte mit dem Zahn ab. Dabei hatte er den Eindruck, daß der Zahn beschädigt wurde. Gleich darauf überquerte er die Straße und stolperte über die Gehsteigkante. Drei Neger gingen hinter ihm vorbei und lachten ihn aus. Haid drehte sich um, und die Neger blieben stehen. »Wir verprügeln den Kerl«, sagte der Kleinste. Er trug eine Sonnenbrille, obwohl keine Sonne zu sehen war. Der Neger im perlgrauen Anzug lächelte. Der Dritte hatte eine rostfarbene Jacke aus Kunstleder.
    Haid kehrte ihnen den Rücken zu und ging blindlings die Straße hinunter. Er konnte keinen Entschluß fassen, sich umzudrehen und zu vergewissern, ob die Neger ihm folgten oder nicht. Er ging wie ferngelenkt. Den Fotoapparat hielt er in der Hand. Dann hörte er einen der drei Neger rufen: »Ein schöner Fotoapparat!« Die anderen beiden lachten hysterisch.
    »Verprügeln wir den Kerl«, sagte der Kleinste wieder. Haid drehte sich nicht um. Er hörte die Neger kreischend lachen. Plötzlich überholte ihn der Neger mit der rostfarbenen Jacke, ging vor ihm her und imitierte seinen Gang und seine Körperhaltung. Eine Hand hielt er vor dem Bauch, als trage er einen Fotoapparat. Dann blieb er stehen und stellte sich, ohne sich umzudrehen, Haid in den Weg. Haid mußte rasch zur Seite treten, um ihn nicht zu rempeln, sah im selben Augenblick, daß er vor einem Fotogeschäft stand und betrat es. Durch die Auslagenscheibe konnte er feststellen, daß die drei Neger stehengeblieben waren und ihn ebenfalls durch die Auslagenscheibe beobachteten. Als ihn ein Verkäufer nach seinem Wunsch fragte, erklärte er mühsam, was an seinem Fotoapparat nicht funktionierte. Er war bemüht, keinen Blick durch die Auslagenscheibe zu werfen. Ein magerer Mulatte mit einer blauen Schürze wurde herbeigeholt, der die Kamera in der Dunkelkammer öffnen und nachsehen sollte, was mit dem Transportmechanismus los war. Inzwischen stöberte Haid in den Regalen, ließ sich eine Polaroidkamera erklären und drehte sich damit zur Auslagenscheibe hin. Gerade als er durch den Sucher der Kamera blickte, kam der Neger mit dem perlgrauen Anzug zur Tür herein, während Haid die beiden anderen vor der Auslagenscheibe hereinlachen sah. Der Neger im perlgrauen Anzug stutzte, sah, daß Haid ihn mit der Polaroidkamera im Visier hatte, riß die Hand vors Gesicht und stürzte zur Tür hinaus. Haid drückte den Auslöser der ungeladenen Kamera.
    »Wurden Sie belästigt?«, fragte der Verkäufer. »Ja, sie sind mir gefolgt.«
    »Wollen Sie ein Taxi nehmen?«
    »Nein, ich glaube, sie sind schon weg.«
    »Ich würde an Ihrer Stelle ein Taxi nehmen und ein paar Blocks fahren.«
    »Nein, ich glaube nicht, daß ich das tun werde.«
    »Warten Sie, ich schau auf die Straße hinaus!« Er öffnete die Tür, ging hinaus, blickte die Straße hinauf und hinunter und kam wieder zurück.
    »Sie sind weg«, sagte er. »Aber es ist nicht sicher, ob sie in der Nähe sind und warten. Ich würde an ihrer Stelle ein Taxi nehmen.«
    Haid wollte sich jedoch verhalten wie Philipp Marlowe: Vorsichtig, ohne der Gefahr aus dem Wege zu gehen. Der Fotoapparat störte ihn bei seinen Gedanken, aber er konnte sich vorstellen, daß Marlowe den Apparat benötigte, um irgend etwas als Beweisstück zu fotografieren. »Ich brauche kein Taxi«, sagte er.
    Der Mulatte kam mit der Kamera zurück und zeigte ihm, daß der Film gerissen war. Den belichteten Film überreichte er ihm in einer Blechdose, das abgerissene Stück legte er auf den Tisch. Haid ließ den Eisenhaken für den Tragriemen reparieren, kaufte einen neuen Film und ging hinaus. Der Verkäufer folgte ihm durch die Tür und blickte ihm nach. »Sie sind weg«, rief er. Nur wenige Menschen gingen auf der Straße. Haid entfernte sich immer weiter vom Geschäft, ging an einer knallgelb gestrichenen Imbißstube vorbei, spähte hinein, spähte in parkende Autos, in offene Automatensalons, ohne eine Gefahr zu entdecken. Vor einer Tankstelle für STANDARD OIL war an einem Mast ein großes Steuerrad befestigt, in das eine runde Tafel

Weitere Kostenlose Bücher