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Der grosse Horizont

Der grosse Horizont

Titel: Der grosse Horizont Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Roth
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auf die Straße, nahm ein Taxi und fuhr zur Freemont-Street. Der tickende Taxameter erinnerte ihn vom Augenblick an, als er ihn wahrnahm, an die Taxifahrt von Carson in das Manx-Hotel. Damals war ihm das Geräusch nicht aufgefallen. Jetzt aber hatte er es sofort wahrgenommen, und indem er es wahrnahm, fiel ihm ein, daß es ihm auch damals auf irgendeine Weise aufgefallen war.
     
     
7
     
     
    Es war dunkel geworden, und die Casinos waren von bunten Neonreklamen beleuchtet. Haid stieg vor dem GOLDEN NUGGET aus, spazierte die Freemont-Street hinunter, und ihm erschien alles so künstlich, daß er selbst eine Pose annehmen wollte, um sich ertragen zu können. Er stellte sich vor, wie er sich als Spieler verhalten würde, der von Casino zu Casino hetzte und sein Geld und seine Existenz aufs Spiel setzte. Aber diese Pose war ihm so fremd, daß er sie fallen ließ. Er schlenderte durch die großen Spielsäle, einmal warf ein Pokerspieler eine Seltersflasche auf einem Spieltisch um, und einmal setzte er sich an eine Bar und fixierte eine Blondine, die aussah wie Marilyn Monroe im Film BUS STOP. Sie trug ein schwarzes Trikot mit Fransen und Netzstrümpfe und servierte Drinks an den Spieltischen. Haid überlegte, sie um eine Auskunft zu bitten und mitten im Gespräch zu unterbrechen, um sie zu fragen, wo er sie treffen könnte. Jedesmal, wenn sie zur Bar zurückkam und er sie anstarrte, warf sie ihm einen Blick zu, von dem er nicht sagen konnte, ob er neugierig oder freundlich war. Aber er fand nicht den Mut, auf sie zuzugehen und etwas zu sprechen. Als sie ganz nahe an ihn herantrat, brachte er sie durch seinen starren Blick dazu, daß sie, als sie Popcorn in den Plastikbehälter eines Automaten nachfüllte, den Plastikdeckel so ungeschickt einsetzte, daß er zu Boden fiel. Sie bückte sich nach dem Deckel und lächelte Haid an. Haid blieb wie gelähmt mit ernstem Gesicht sitzen, dann lächelte er, bezahlte und stand auf. Er war voller Gefühle. Er dachte auch an Carson, doch schien ihm seine Erinnerung jetzt wie etwas, was er sich ausgedacht hatte.
     
8
     
     
    Als er den CIRCUS wieder erreichte, fiel ihm O’Maley ein. Obwohl er zuvor nicht mehr die Absicht gehabt hatte, in ein Casino zu gehen, brachte ihn die Überlegung, möglicherweise auf O’Maley zu stoßen, dazu, die breite Auffahrt nochmals hinaufzugehen und im CIRCUS nach O’Maley Ausschau zu halten. Ein Bursche im Jeansanzug bat ihn um eine Zigarette. Haid gab sie ihm und blickte gleichzeitig weg, um nicht in ein Gespräch verwickelt zu werden, denn er kannte die gegenseitigen stockenden Fragen, die bei Zufallsbekanntschaften gestellt werden, und sie gingen ihm auf die Nerven, da er sich stets verstellen und Interesse vorgeben mußte. Das JA-SAGEN und NEIN-MEINEN war eine Krankheit von ihm. Er sagte sich das jetzt selber, während er zusah, wie drei Mädchen in Fantasieuniformen auf Hutschpferden bis zur Circuskuppel hochgezogen wurden, von wo sie langsam kreisend Luftballons auf die Spieler warfen. Seifenblasen sprühten um die Mädchen, und die Band spielte STARS AND STRIPES FOR EVER. Haid fiel ein, daß er sich immer wieder vornahm, das auszusprechen, was er sich dachte, um immer wieder dagegen zu verstoßen.
    Er war vorsichtig mit Bekanntschaften geworden. Wenn er jemanden nicht näher kannte, war es leichter für ihn, sich nicht zu verstellen. Er drehte sich um und sah einen Menschen, der von hinten O’Maley ähnelte, an einem Roulett-Tisch stehen. Haid ging zu ihm hin, stellte sich an seine Seite und blickte ihm ins Gesicht. Es war tatsächlich O’Maley.
     
     
9
     
     
    O’Maley kümmerte sich nicht um Haid, sondern verfolgte den Lauf der Roulettkugel. Gerade als Haid den Tisch verlassen wollte, sah ihn O’Maley. Er faßte ihn am Arm und fragte ihn, ob er ihm hundert Dollar leihen könne. Er habe sein Geld im Hotel deponiert, wolle den Tisch jedoch nicht verlassen. Haid war von O’Maleys Bitte so überrascht, daß er ihm eine Hundertdollarnote hinstreckte und neben ihm am Roulett-Tisch Platz nahm. O’Maley spielte also wirklich! Oder war es nur ein kompliziertes Manöver O’Maleys, um keinen Argwohn zu erwecken? Haid bemerkte, daß O’Maley abwechselnd auf die Zahlen 11, 13, 14, 17 und 21 setzte. In kurzer Zeit hatte O’Maley die hundert Dollar verloren. Als handle es sich um das Selbstverständlichste, beugte er sich zu Haid und sagte: »Sie haben sicher noch Geld bei sich!« und Haid, der von größtem Unbehagen erfüllt war, stellte ihm

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