Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der grosse Horizont

Der grosse Horizont

Titel: Der grosse Horizont Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Roth
Vom Netzwerk:
beim Cashier einen Scheck über dreihundert Dollar aus. O’Maley wechselte das Geld in Jetons, eilte zum Roulett-Tisch zurück und setzte auf die fünf selben Ziffern. Nachdem anfänglich keine der Ziffern gekommen waren, kamen hintereinander zweimal die 14, dann die 21, dann wieder 14. O’Maley hatte nahezu vierhundert Dollar gewonnen und begann mit höheren Einsätzen. Haid verließ O’Maley, der so in das Spiel vertieft schien, daß er nichts davon bemerkte.
     
10
     
     
    Haid beeilte sich, in das Hotel zurückzukommen. Er hatte nichts gegessen, war müde und niedergeschlagen. Er hatte es nicht zustande gebracht, O’Maleys Wunsch, ihm Geld zur Verfügung zu stellen, zu widerstehen. Gleichzeitig dachte er an den Jungen im Jeansanzug, dem er nicht einmal ins Gesicht geblickt hatte, um nicht von ihm belästigt zu werden. Er betrat das Zimmer und öffnete seinen Koffer, um nach den Toiletteartikeln zu suchen. Bereits beim öffnen des Deckels bemerkte er, daß sein Koffer durchsucht worden war. Ein schmutziges Hemd lag obenauf, doch er wußte, daß er es in einen Plastiksack gestopft hatte. Wer hatte seinen Koffer durchsucht, und warum war er durchsucht worden? Er räumte den Koffer und die Reisetasche aus und stellte fest, daß nichts fehlte. Allerdings mußte auch die Reisetasche durchsucht worden sein, denn die Einstellungshebel und Drehringe seiner Kamera waren verstellt. Er fühlte wieder die altbekannte Angst. Er packte seine Sachen in den Koffer und die Reisetasche, legte sich auf das Bett und überlegte. Vermutlich hatte O’Maley während seiner Abwesenheit das Gepäck durchsucht. Aber mit welcher Absicht? Verfolgte er ihn tatsächlich wegen Carson oder hatte er ihm sein Geld stehlen wollen, weil er beim Spielen verloren hatte? Er erinnerte sich daran, daß Kapra ihn bei Friederike gewarnt hatte, auf sein Geld aufzupassen. Dann überlegte Haid, Mehring anzurufen, aber er hatte nicht den Mut dazu. Das beste schien ihm, heimlich abzureisen. Er mußte zusehen, daß O’Maley ihm das Geld zurückgab und unter einem Vorwand abreisen. Jedenfalls mußte er verhindern, daß O’Maley sich noch einmal an sein Gepäck heranmachen konnte. Zum Glück hatte er sein Bargeld bei sich gehabt. Das hieß, wenn O’Maley überhaupt darauf aus gewesen war. Aber worauf sonst? Haid dachte nach. Vielleicht hatte er einen Gegenstand gesucht, der in Carsons Zimmer fehlte …? – Und plötzlich fiel ihm seine Frau ein. Sie würde ihn verabscheuen, wenn sie ihn jetzt sehen könnte und wissen würde, was vorgefallen war. Sie würde ihn nur verabscheuen. Sie würde schweigen, aber ihr Gesicht würde ihm alles sagen. Er dachte plötzlich an Momente, in denen er sie in seinen Armen gehalten hatte und sie zärtlich zu ihm gewesen war. Er erinnerte sich an ihre Worte, ihre Stimme, und er wußte, daß er nicht über seine Erinnerung hinwegkommen wollte. Er wollte über Erinnerungen nicht hinwegkommen. Er stand auf und blickte vom Fenster auf den verlassenen Swimmingpool, vor dem Autos parkten. Dann sah er O’Maley. Er stand vor einem der geparkten Autos und gab einem Fremden Feuer. Haid machte einen Schritt zur Seite, so daß er von der Straße aus nicht gesehen werden konnte. Der Fremde trug einen Hut. Er wechselte einige Worte mit O’Maley, setzte sich dann in eines der Autos und fuhr davon. O’Maley blickte zum Hotelfenster hinauf und ging ohne Eile zum Eingang.
     
     
11
     
     
    Zuerst überlegte sich Haid, ob er sich schlafend stellen sollte, aber er war noch vollständig angezogen. Obwohl die Angst ihn verwirrte, nahm er sich vor, mit O’Maley zu sprechen. War er durch O’Maley nicht in eine Rolle gepreßt worden, die darin bestand, daß er aus Angst, in O’Maleys Augen nervös, überängstlich, bürokratenhaft oder dumm zu wirken, sich unentwegt gleichgültig gab. Die Angst, in jemandes Augen dumm zu wirken, schien ihn immer beherrscht zu haben. Es war ihm aufgefallen, daß diese Angst nicht nur ihn allein beherrschte. Er entdeckte die Angst, dumm zu wirken, auch bei anderen Menschen. Sie vertraten Ansichten, kauften Dinge, verhielten sich gehemmt oder hochmütig nur aus Angst, dumm zu wirken. Sie versteckten sich hinter Bildung und Wissen, um nicht für dumm gehalten zu werden, und vermochten mit ihrer Bildung und ihrem Wissen nicht so umzugehen, wie sie es wünschten, und hatten noch mehr Angst. Oder sie verwendeten ihre Bildung und ihr Wissen, um wiederum in anderen das Gefühl der Dummheit zu erzeugen.
    Er nahm sich

Weitere Kostenlose Bücher