Der grosse Johnson_ Die Enzyklopadie der Weine, Weinbaugebiete
Überzeugung mancher Kellermeister den Wein durch zusätzliche Komplexität bereichert.
Verfechter für das Entrappen argumentieren, dass Stiele nur Bitterstoffe in den Wein bringen, den Alkoholgehalt heruntersetzen, die Farbe blasser werden lassen und obendrein im Gärfass wertvollen Platz einnehmen. Dagegen wird als Argument für das Mitvergären von mindestens einem Teil der Stiele genannt, dass sie den Gärungsprozess durch bessere Durchlüftung der Masse im Fass unterstützen, den Säuregehalt verringern und das Pressen erleichtern. Auf jeden Fall aber müssen die Stiele ausgereift sein, damit sie keine »grüne« Geschmackskomponente in den Wein bringen.
Mostkonzentration
In den späten 1980ern entwickelten französische Önologen Verfahren, Trauben überschüssiges Wasser zu entziehen, die etwa unter feuchten Witterungsverhältnissen geerntet wurden.
Am bekanntesten wurde die Methode der Umkehrosmose. Bei sachgerechter Anwendung konnte man damit die Verdünnung des Mosts verhindern. Sie konnte aber ebenso den potenziellen Alkoholgehalt erhöhen, weshalb europäische Behörden die Chaptalisierung von konzentriertem Most untersagten. Die Umkehrosmose ist in Frankreich bereits seit einigen Jahren zugelassen, in Deutschland seit 2002. Die Technik bleibt umstritten, da sie zum Missbrauch einlädt. Weniger Sorgfalt bei der zeitlichen Festlegung der Weinlese, wenn sie etwa zu früh oder bei feuchter Witterung stattfindet, wird damit begründet, dass eventuelle Qualitätsverluste durch die Mostkonzentration ja ausgeglichen werden können. Ein unseriöses Argument, denn das Konzentrationsverfahren verstärkt alle Bestandteile im Wein und bringt jede unreife Geschmacksnuance nur umso deutlicher zum Vorschein. Mit der nötigen Umsicht und Zurückhaltung kann die Mostkonzentration die Weinqualität speziell in Problemjahren jedoch deutlich verbessern.
Rotwein: Umpumpen
Wenn Rotwein gärt, schwimmen die Traubenschalen an der Oberfläche, weil sie von den Kohlensäurebläschen, die sich an festen Teilen ansetzen, Auftrieb erhalten. Dieser Hut aus den obenauf schwimmenden Schalen enthält die wichtigen Farbstoffe, entwickelt beträchtliche Wärme und ist dem Angriff von Bakterien ausgesetzt. Wichtig ist deshalb, ihn immer wieder mit der darunter liegenden Flüssigkeit zu vermischen. Hierfür gibt es verschiedene Methoden.
In Bordeaux wird der Hut oft von Hand mit langen Stangen nach unten gestoßen. In Burgund wird er bei kleineren Gärfässern untergestampft (pigeage) ; früher taten das Männer, die nackt ins Fass sprangen. Weit verbreitet ist auch die Methode, unterhalb des Füllstands im Fass ein Sieb anzubringen, das den Hut untergetaucht hält (chapeau immergé) , aber auch über eine Kurbelwelle betätigte Tauchstößel werden eingesetzt. Am häufigsten wird aber heutzutage der Wein umgepumpt, also mit einem Schlauch am Boden des Fasses abgesaugt und dann über den Hut gesprüht.
Selbstverständlich gibt es auch aufwendigere Einrichtungen.
Der Rotofermenter ist ein liegender Zylinder, der sich langsam dreht und dabei Flüssigkeit und Feststoffe stetig umwälzt. Sein Vorteil liegt in der Schnelligkeit der Extraktion, doch die meisten qualitätsbewussten Weinerzeuger vertrauen auf die langsamere Fermentierung mit regelmäßigem Umpumpen.
Eine in Portugal entwickelte Umwälzautomatik hat die traditionelle Methode verdrängt, bei der alle Dorfjungen nächtelang zum Klang von Akkordeons den Wein stampften. Das neue System wird durch den in einem dicht verschlossenen Tank entstehenden Kohlensäuredruck betätigt.
Die Behandlung des Huts ist ein wesentlicher Bestandteil des Bereitungsprozesses. Einerseits verleiht die Extraktion von Farbe, Tannin und Geschmacksstoffen dem Wein seinen Charakter, andererseits darf man aus den Trauben nicht mehr herausholen, als sie geben können. Überextraktion liefert bittere, harte Gewächse, Unterextraktion dagegen Flüssigkeiten mit zu wenig Farbe, Kraft und Struktur. So verwundert es nicht, dass viele Kellermeister mit allerlei Verfahren versuchen, die Extraktion optimal zu meistern.
Mikrooxidation
Eine umstrittene Methode, die in den späten 1980ern von dem Erzeuger Patrick Ducournau in Madiran entwickelt wurde.
Madiran-Weine entstehen aus der sehr gerbstoffreichen Tannat-Traube. Die neue Technik hatte zum Ziel, durch dosierte Gaben von Sauerstoff während der Gärung oder Fassreifung den Tanningeschmack abzumildern. Zweifellos funktioniert die Methode, denn sie verhindert
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