Der grosse Johnson_ Die Enzyklopadie der Weine, Weinbaugebiete
er-Jahren befiel der Echte Mehltau die Stöcke, und 1873 traf die Reblaus ein. 2400Hektar Anbaufläche wurden vernichtet und lediglich 1200Hektar davon mit echten Madeira-Trauben wiederbepflanzt. Um sich das Verdedeln auf resistente Unterlagen zu sparen, bestockte man den Rest mit französisch-amerikanischen Hybriden, deren Weine weder für Madeira verwendet noch exportiert werden dürfen.
Seitdem zehrt Madeira von seinem alten Ruf, einem dünnen Rinnsal erstklassiger Gewächse und der Vorliebe der Franzosen für sauce madère , die allerdings auch mit jedem anderen maderisierten Tropfen zubereitet werden kann. Der Hälfte der Inselweine steht heute bestenfalls ein Platz im Küchenregal zu. Leider wurden sogar bei der Neuanpflanzung durch die ursprünglichen europäischen Reben die vier klassischen Madeira-Sorten zugunsten der vielseitigen Tinta negra mole links liegen gelassen.
Derzeit entfallen mehr als 85 Prozent der Ernte – von Hybriden einmal abgesehen – auf Tinta negra mole. Früher handelte es sich bei vielen mit den Namen der klassischen Madeira-Trauben versehenen Weinen in Wirklichtkeit um einen Tinta, der so lange manipuliert worden war, bis er eine Ähnlichkeit mit dem angegebenen Stil hatte. Die EU bereitete dieser Praxis 1993 ein Ende. Heute muss ein Wein zu mindestens 85 Prozent aus der auf dem Etikett angegebenen Traubensorte bereitet werden. Malmsey ist also nicht mehr nur ein Stil, sondern besteht tatsächlich aus Malvasia. Auch das Alter des Weins – drei, fünf, zehn oder 15 Jahre – darf auf dem Etikett erscheinen. Drei- und Fünfjährige enttäuschen oft, weil sie nicht sortenrein sind, sondern nur mit stilistischen Umschreibungen wie Finest Medium Rich oder Finest Dry in den Verkauf kommen. Wer den Mehrpreis für zehn- und 15-jährige Abfüllungen zahlt, fährt ausnahmslos besser.
Die 2000 Weinbauern der Insel haben die EU-Bestimmungen zur Kenntnis genommen und flugs auf eine der klassischen Sorten umgesattelt. Es ist ihre einzige Chance: Von Billigweinen und schlechter Qualität können sie nicht leben. Sie haben nun einmal keine Massentraube für »Instantweine« – jedes ihrer Produkte muss langwierig ausgebaut werden. Und die estufas sind teuer im Unterhalt. Wegen des immer schlechteren Rufs von Madeira zogen die Behörden 2002 die Notbremse und verboten alle Exporte von offenem Wein.
Für unzulässig erklärt wurde auch die einst gängige Praxis, die Weine in datierten Soleras nach Art eines Sherry auszubauen. Gelegentlich tauchen allerdings noch alte Solera-Abfüllungen unglaublich preiswert auf Auktionen auf. Mitunter deklarieren die Madeira-Häuser noch einen Jahrgang, was aber wesentlich seltener vorkommt als beim Portwein – und dann auch nicht unmittelbar nach der Lese, sondern erst ungefähr 30 Jahre später.
Vintage Madeira ruht mindestens 20 Jahre im Fass und bisweilen noch einmal 20 Jahre in Ballonflaschen, bis er als trinkreif gilt und in reguläre Flaschen kommt. Trotzdem ist er auch dann noch vergleichsweise jung und muss weitere 20 bis 50Jahre ausharren, um seinen sublimen Zenit zu erreichen.
Zu Beginn des neuen Jahrtausends führten die Häuser einen neuen Stil ein, den sogenannten Colheita mit Jahrgangsangabe. Blandy machte mit seinem 1994 er Single Harvest Malmsey den Anfang und Henriques & Henriques sowie Justino Henriques folgten alsbald mit 1995 ern nach. Der verstorbene Noël Cossart aus der fünften Generation des alten Madeira-Hauses Cossart Gordon empfahl einst: »Kaufe nie billigen Sercial oder Malmsey. Die Trauben wachsen zaghaft und müssen viel kosten. Bual und Verdelho dagegen reifen zahlreicher und schneller heran. Daher können sie preiswert und gut zugleich sein.«
Jahrgänge
Nachfolgend die berühmtesten Jahrgänge bis 1900. Einzelne Exemplare findet man gelegentlich noch von 1789, 1795 (vor allem Terrantez), 1806, 1808 (Malmsey), 1815 (v.a. Bual), 1822, 1836, 1844, 1846 (v.a. Terrantez und Verdelho), 1851, 1862, 1865, 1868, 1870 (Sercial) und 1880 (v.a. Malmsey).
Seit 1900 wurden zwei Dutzend Jahrgänge herausgegeben: 1900 (das letzte Jahr, in dem ein Moscatel bereitet wurde), 1902 (v.a. Verdelho und Bual), 1905 (v.a. Sercial), 1906 (v.a. Malmsey), 1907 (v.a. Verdelho und Bual), 1910, 1914 (Bual), 1915 (Bual, Sercial), 1916, 1920, 1926 (v.a. Bual), 1934 (Verdelho), 1940, 1941 (v.a. Bual), 1950, 1954 (v.a. Bual), 1956, 1957, 1958, 1960 (Bual, Terrantez), 1965 (Bual), 1966 (Bual, Sercial), 1968 (Verdelho), 1969 (Terrantez), 1971, 1972
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