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Der große Schlaf

Der große Schlaf

Titel: Der große Schlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Chandler
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Mann nicht auf der Spur bin.« Sie kippte ihren Drink ganz auf die schnelle. Sie verschluckte sich – oder benutzte die Gelegenheit, sich zu verschlucken. Sie atmete ganz langsam aus.
    »Rusty war kein Ganove. Wäre er einer gewesen, dann bestimmt nicht für ein paar Groschen. Er hat immer fünfzehntausend Dollar mit sich herumgetragen, in Scheinen.
    Er nannte das sein wildes Geld. Er hatte es, als ich ihn heiratete, und er hatte es, als er mich sitzenließ. Nein – Rusty hat mit so einer billigen Erpressungsmasche nichts zu tun.« Sie langte nach dem Umschlag und stand auf. »Ich bleib mit Ihnen in Verbindung«, sagte ich. »Wenn Sie Nachricht für mich haben, das Telefonmädchen in meinem Apartmenthaus bringt das schon in Ordnung.«
    Wir gingen zur Tür. Sie klopfte mit dem weißen Umschlag an ihre Knöchel und sagte: »Meinen Sie immer noch, Sie könnten mir nicht erzählen, was Dad ...«
    »Ich müßte ihn erst fragen.«
    Sie nahm das Foto heraus und stand dicht bei der Tür und sah es an. »Sie hat einen wunderschönen kleinen Körper, finden Sie nicht?«
    »Hmhm.«
    Sie beugte sich ein wenig zu mir. »Sie sollten erst mal meinen sehen«, sagte sie todernst.
    »Läßt sich das arrangieren?«
    Sie lachte plötzlich hart auf und ging halbwegs zur Tür hinaus, wandte dann den Kopf und sagte kühl: »Sie sind der kaltschnäuzigste Hund, dem ich je begegnet bin, Marlowe.
    Oder darf ich Sie Phil nennen?«
    »Klar.«
    »Sie können Vivian zu mir sagen.«
    »Danke, Mrs. Regan.«
    »Ach, hol Sie der Teufel, Marlowe.« Sie ging hinaus, ohne sich noch einmal umzudrehen.
    Ich machte die Tür zu und stand da und starrte auf meine Hand auf der Klinke. Mein Gesicht war ein bißchen heiß. Ich ging zurück zum Schreibtisch und schloß den Whisky weg und spülte die beiden Babygläser aus und räumte die auch weg. Ich nahm meinen Hut vom Telefon und rief die Distriktsanwaltschaft an und fragte nach Bernie Ohls. Er war in seinem Kabäuschen.
    »Also, ich habe den alten Herrn in Ruhe gelassen«, sagte er.
    »Der Butler meinte, er oder eines der Mädchen würde es ihm schon beibringen. Dieser Owen Taylor hat über der Garage gewohnt, ich habe mir seine Sachen angesehen. Eltern in Dubugue, lowa. Ich habe dem Polizeichef dort telegrafiert, er soll sie fragen, was geschehen soll. Die Sternwoods wollen die Kosten tragen.«
    »Selbstmord?« fragte ich.
    »Läßt sich nicht sagen. Er hat nichts Schriftliches hinterlassen. Er hatte keine Erlaubnis, den Wagen zu nehmen.
    Alle waren gestern abend zu Hause, bis auf Mrs. Regan. Sie war unten in Las Olindas mit einem Playboy namens Larry Cobb. Ich habe das nachgeprüft. Ich kenne einen Macker von einem der Tische.«
    »Ihr solltet diese Glücksbude endlich ausheben«, sagte ich.
    »Bei dem Syndikat, das wir hier im Land haben? Seien Sie nicht kindisch, Marlowe. Diese Kopfnuß von dem Jungen macht mir Sorgen. Sind Sie wirklich sicher, daß Sie mir dabei nicht helfen können?«
    Ich fand es nett, daß er sich so ausdrückte. So konnte ich nein sagen, ohne tatsächlich zu lügen. Wir sagten auf Wiedersehen, und ich verließ das Büro, kaufte mir alle drei Nachmittagszeitungen und fuhr im Taxi hinunter zum Justizpalast, um meinen Wagen vom Parkplatz zu holen. In keiner der Zeitungen stand etwas über Geiger. Ich guckte wieder in sein blaues Notizbuch, aber der Code war genauso stur wie am Abend zuvor.

12
    Die Bäume über Laverne Terrace hatten nach dem Regen frische, grüne Blätter. Im Licht der kühlen Nachmittagssonne konnte ich den Steilhang des Berges sehen und die Stufen, die der Mörder nach seinen drei Schüssen ins Dunkel hinabgerannt war. Zwei kleine Häuser standen an der Straßenfront unten.
    Vielleicht waren dort die Schüsse gehört worden, vielleicht auch nicht.
    Nichts rührte sich vor Geigers Haus und den ganzen Block entlang. Die Buchsbaumhecke sah grün und friedlich aus, und die Schindeln auf dem Dach waren noch feucht. Ich fuhr langsam vorbei und knabberte an einer Idee herum. Ich hatte letzte Nacht nicht in die Garage gesehen. Nachdem mir Geigers Leiche abhanden gekommen war, war ich gar nicht mehr so scharf darauf, sie wiederzufinden. Es hätte mir die Hände gebunden. Aber wenn man ihn in die Garage gezerrt hätte, zu seinem eigenen Wagen, und mit dem in einen der
    hundertsoundsoviel einsamen Canyons rund um Los Angeles losgefahren wäre, dann hätte man ihn erst mal tage- oder gar wochenlang vom Halse gehabt. Das setzte zwei Dinge voraus: den Schlüssel zu seinem Wagen

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