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Der große Schlaf

Der große Schlaf

Titel: Der große Schlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Chandler
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schwarzen Schuhen und den zwei purpurnen Diamant-Rhomben auf seiner grauen Seidenkrawatte, die wie die roten Rhomben auf einem Roulettetisch aussahen. Sein Hemd war grau, und grau war sein zweireihiger Anzug aus weichem, prächtig geschneidertem Flanell. Als er Carmen sah, nahm er seinen grauen Hut ab, und sein Haar darunter war grau und so fein, als ob es durch Gaze gesiebt worden wäre. Seine dichten grauen Augenbrauen gaben ihm dieses gewisse sportliche Air. Er hatte ein langes Kinn, eine Hakennase und nachdenkliche, graue Augen, die einen schrägen Blick hatten, weil sich die Hautfalte über dem oberen Lid etwas über das Lidende zog. Er stand da, ganz höflich, eine Hand war noch an der Tür hinter ihm, die andere hielt den grauen Hut und schlug damit leicht gegen seinen Oberschenkel. Er sah hart aus, aber es war nicht die Härte des schweren Jungen. Eher die Härte des wetterfesten Herrenreiters. Aber er war kein Herrenreiter. Er war Eddie Mars.
    Er machte die Tür hinter sich zu und steckte diese eine Hand in die aufgesteppte Tasche seiner Jacke, nur der Daumen blieb draußen und glänzte im Dämmerlicht des Raums. Er lächelte Carmen zu. Er hatte ein nettes, gefälliges Lächeln. Sie leckte sich die Lippen und starrte ihn an. Die Furcht wich aus ihrem Gesicht. Sie lächelte zurück.
    »Entschuldigen Sie, daß ich so unerwartet eindringe«, sagte er. »Mein Klingeln scheint niemand gehört zu haben. Ist Mr.
    Geiger da?«
    Ich sagte: »Nein. Wir wissen auch nicht, wo er ist. Wir haben die Tür angelehnt gefunden. Wir sind einfach eingetreten.«
    Er nickte und berührte sein langes Kinn mit dem Rand seines Huts. »Sie sind sicher Freunde von ihm?«
    »Nur geschäftliche Bekannte. Wir sind wegen eines Buchs vorbeigekommen.«
    »Wegen eines Buches, hm?« Er sagte das schnell und munter und, wie ich meinte, auch ein wenig schlau, als ob er über Geigers Bücher Bescheid wüßte. Dann sah er wieder auf Carmen und zuckte die Achseln.
    Ich ging auf die Tür zu. »Wir wollen mal weiterziehen«, sagte ich. Ich nahm ihren Arm. Sie starrte Eddie Mars an. Er gefiel ihr.
    »Soll ich etwas ausrichten – wenn Geiger zurückkommt?«
    fragte Eddie Mars sanft.
    »Wir wollen Ihnen keine Mühe machen.«
    »Das ist aber schade«, sagte er allzu bedeutungsvoll. Seine grauen Augen blinzelten und wurden hart, als ich an ihm vorbei zur Tür ging. Er fügte lässig hinzu: »Das Mädchen kann in den Wind schießen. Mit Ihnen möchte ich mich noch etwas unterhalten, Sportsfreund.«
    Ich ließ ihren Arm los. Ich sah ihn erstaunt an. »Kleiner Witzbold«, sagte er auf seine nette Art.
    »Geben Sie sich keine Mühe. Ich habe zwei Jungs draußen im Wagen, die immer genau das tun, was ich ihnen sage.«
    Neben mir rührte sich Carmen und schoß zur Tür hinaus.
    Rasch verklangen ihre Schritte bergab. Ich hatte ihren Wagen nicht gesehen, also hatte sie ihn wohl unten gelassen.
    Ich sagte: »Was, zum Henker ...!«
    »Lassen Sie die Flausen«, seufzte Eddie Mars. »Hier stimmt doch was nicht. Ich werde herauskriegen, was es ist. Wenn Sie sich Blei aus dem Bauch pulen wollen, brauchen Sie mir nur in die Quere zu kommen.«
    »Hört, hört«, sagte ich, »ein harter Bursche.«
    »Nur wenn nötig, Sportsfreund.« Er sah mich gar nicht mehr an. Er spazierte im Raum umher, mit gerunzelter Stirn, ohne mich weiter zu beachten. Ich blickte aus dem vorderen Fenster, in dem eine Scheibe zerbrochen war. Über der Hecke war das Dach eines Wagens sichtbar. Sein Motor lief leise. Eddie Mars entdeckte auf dem Schreibtisch die dunkelrote Flasche und die zwei goldgeäderten Gläser. Er schnüffelte an einem der Gläser, dann an der Flasche. Ein angewidertes Lächeln verzog seine Lippen. »Dieser Schweinehund«, sagte er tonlos.
    Er sah sich ein paar Bücher an, brummte, ging um den Schreibtisch herum und blieb vor dem kleinen Totempfahl mit dem Kameraauge stehen. Er studierte ihn, senkte den Blick auf den Boden davor. Er verschob den kleinen Teppich mit dem Fuß, dann bückte er sich schnell mit angespanntem Körper. Er ging mit einem grauen Knie zu Boden. Hinter dem Schreibtisch konnte ich ihn nicht ganz sehen. Ich hörte einen scharfen Ausruf, und er kam wieder hoch. Sein Arm fuhr in seine Jacke, und eine schwarze Luger erschien in seiner Hand. Er hielt sie in langen, braunen Fingern, sie war nicht auf mich, sie war auch auf nichts anderes gerichtet.
    »Blut«, sagte er. »Da ist Blut auf dem Boden, unter dem Teppich. Eine ganze Menge Blut.«
    »Tatsächlich?«

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