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Der große Schlaf

Der große Schlaf

Titel: Der große Schlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Chandler
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und sah mich schweigend an, seine Rechte dicht an der Weste, aber noch nicht drin. Der kleine Revolver an meiner Seite zeigte nach unten.
    »Diese Tunte muß dir ja sehr am Herzen gelegen haben«, sagte ich.
    »Leck mich ...«, sagte der Junge sanft und stand reglos zwischen den geparkten Wagen und der fünf Fuß hohen Mauer an der Innenkante des Bürgersteigs.
    Eine Sirene greinte von fern und näherte sich den langen Berg herauf. Der Kopf des Jungen zuckte herum, ihrem Geräusch entgegen. Ich trat dicht an ihn heran und drückte meine Kanone in seine Weste.
    »Ich oder die Bullen?« fragte ich ihn.
    Sein Kopf rollte etwas zur Seite, als ob ich ihm ins Gesicht geschlagen hätte. »Wer sind Sie?« sagte er.
    »Freund von Geiger.«
    »Lassen Sie mich los, Sie Dreckskerl.«
    »Das hier ist ein kleiner Revolver, Jungchen. Ich kann dir damit ńe Ladung durch den Bauchnabel verpassen, daß du drei Monate brauchst, um wieder auf die Beine zu kommen. Aber auf die Beine kommst du wieder. Damit du oben in Quentin in die hübsche neue Gaskammer spazieren kannst.«
    Er sagte: »Leck mich ...« Seine Hand fuhr in die Weste. Ich drückte stärker gegen seinen Bauch. Er gab einen langen, sanften Seufzer von sich, nahm seine Hand von der Weste und ließ sie schlaff herunterfallen. Seine breiten Schultern sackten ein.
    »Was wollń Sie?« flüsterte er.
    Ich langte in seine Weste und zog die Automatic heraus.
    »Steig in meinen Wagen, Jungchen.«
    Er schritt an mir vorbei und ich dicht hinter ihm her. Er stieg in den Wagen.
    »Ans Steuer, Jungchen. Du fährst.«
    Er rutschte hinters Steuer, und ich setzte mich neben ihn. Ich sagte: »Laß den Peterwagen erst mal den Berg hinauf. Die denken sicher, wir sind an die Seite gefahren, als wir die Sirene hörten. Dann wendest du bergab, und wir fahren heim.« Ich steckte Carmens Revolver weg und lehnte die Automatic gegen die Rippen des Jungen. Ich sah rückwärts durchs Fenster. Das Sirenengeheul war jetzt sehr laut. Zwei rote Lichter schwollen an in der Mitte der Straße. Sie wurden größer und verschmolzen in eins, und der Wagen raste in einem wilden Schallwirbel vorbei.
    »Auf gehtś«, sagte ich.
    Der Junge wendete und fuhr hügelab.
    »Wir fahren nach Hause«, sagte ich. »Nach Laverne Terrace.«
    Seine glatten Lippen zuckten. Er bog nach Westen auf die Franklin. »Du bist mir ein schöner Einfaltspinsel. Wie heißt du?«
    »Carol Lundgren«, sagte er leblos.
    »Du hast den falschen Kerl erschossen, Carol. Joe Brody hat deine Tunte nicht totgemacht.«
    Er sagte mir vier Worte und fuhr immer weiter.

17
    Ein zur Hälfte geschrumpfter Mond leuchtete durch einen Dunstring zwischen den hohen Ästen der Eukalyptusbäume von Laverne Terrace. Von einem Haus tief unten am Hang her klang laut ein Radio. Der Junge lenkte den Wagen zur Buchsbaumhecke vor Geigers Haus, murkste den Motor ab und saß, starr vor sich hinsehend, mit beiden Händen am Steuer. Durch Geigers Hecke schien kein Licht.
    Ich sagte: »Jemand daheim, Sohnemann?«
    »Das müßten Sie doch wissen.«
    »Woher soll ich das wissen?«
    »Leck mich ...«
    »So kann man sich leicht falsche Zähne holen.« Er zeigte mir seine mit verkniffenem Grinsen. Kickte dann die Tür auf und stieg aus. Ich machte mich hinter ihm her. Er stand mit den Fäusten auf den Hüften und sah schweigend über die Hecke zum Haus hin.
    »Also los«, sagte ich. »Du hast einen Schlüssel. Laß uns reingehen.«
    »Wer sagt, daß ich einen Schlüssel habe?«
    »Laß den Quatsch, Sohnemann. Die Tunte hat dir einen gegeben. Du hast ein prima sauberes Herrenzimmer da drin. Er hat dich rausgeschmissen und es abgeschlossen, wenn er Damenbesuch bekam. Er war wie Caesar, für die Frauen ein Mann und für die Männer ńe Frau. Meinst du, ich kenne mich nicht aus bei Brüdern wie euch beiden?«
    Ich hielt noch immer seine Automatic mehr oder weniger auf ihn gerichtet, aber er versuchte trotzdem einen Schwinger. Er traf mich voll aufs Kinn. Ich trat schnell genug zurück, um nicht zu fallen, aber ich hatte doch einen ziemlichen Schlag weg. Es sollte ein harter Schlag sein, doch so ein Bubi hat eben kein Eisen in den Knochen, egal, wie er aussieht. Ich schmiß dem Jungen die Kanone vor die Füße und sagte: »Vielleicht kannst du die brauchen.«
    Er bückte sich danach wie ein geölter Blitz. Es war nichts Langsames in seinen Bewegungen. Ich hieb ihm eine seitlich in den Hals. Er kippte um und grapschte dabei nach der Pistole, ohne sie zu fassen. Ich hob sie wieder auf

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