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Der große Schlaf

Der große Schlaf

Titel: Der große Schlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Chandler
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auf, und ich lauschte dem Quietschen der Reifen auf dem Wilshire. Ich sagte: »Vielleicht haben sie in der Zwischenzeit das Quartier gewechselt, aber seiś drum –
    das warś, was Sie zu verkaufen hatten. Sicher, daß sieś war?«
    »Wenn Sie die mal gesehen haben, ist das nächste Mal kein Irrtum möglich. Tschau, Schnüffler, und wünschen Sie mir Glück. Ich bin übel dran.«
    »Den Teufel sind Sie«, sagte ich und ging über die Straße zu meinem eigenen Wagen.
    Der graue Plymouth fuhr an, beschleunigte und schoß um die Ecke zum Sunset Place. Sein Motorengeräusch erstarb, und damit war auch die blonde Agnes für mich gestorben. Drei Tote, Geiger, Brody und Harry Jones, und diese Frau fuhr in den Regen hinein mit zwei Hundertern in der Handtasche und nicht einem Kratzer. Ich startete und fuhr hinunter in die Stadt zum Essen. Ich nahm ein gutes Abendessen zu mir. Vierzig Meilen im Regen ist schon eine Tour, und ich hoffte ja, auch wieder zurückzukommen.
    Ich fuhr nach Norden hinauf über den Fluß, nach Pasadena hinein, durch Pasadena hindurch und war gleich darauf in den Orangenhainen. Der schwere Regen war ein dichter, weißer Schleier im Scheinwerferlicht. Der Scheibenwischer bekam kaum das Glas so klar, daß ich durchsehen konnte. Aber auch das triefende Dunkel verbarg nicht die makellosen Reihen der Orangenbäume, die wie die zahllosen Speichen eines Rads in die Nacht rollten.
    Wagen sausten vorbei, zischend und mit Wogen schmutziger Gischt. Die Autostraße ging durch eine kleine Stadt, die nur aus Lagerhäusern und Schuppen bestand, in die Rangiergleise hineinrüsselten. Die Haine wurden dünner und fielen nach Süden ab, und die Straße stieg bergan, und es wurde kalt, und vom Norden her krochen die schwarzen Vorberge näher und schickten einen scharf peitschenden Wind über ihre Flanken herunter. Dann glühten schwach aus dem Dunkel zwei gelbe Dampflampen hoch oben in der Luft, und eine Neonschrift zwischen ihnen verhieß: »Willkommen in Realito.«
    Fachwerkhäuser standen weit zurückgesetzt von der breiten Hauptstraße, dann plötzlich ein Haufen Läden, die Lichter eines Drugstores hinter beschlagenem Glas, ein
    Fliegenschwarm von Autos vor einem Kino, ein verdunkeltes Bankhaus an der Ecke mit einer Uhr, die über den Bürgersteig hinausragte, und einer Gruppe von Menschen, die im Regen standen und auf die Fenster blickten, als ob es da etwas zu sehen gäbe. Ich fuhr weiter, in kahle Felder hinein.
    Die ganze Inszenierung wurde vom Kismet besorgt. Hinter Realito, etwa eine Meile weiter, machte die Autostraße eine Kurve, der Regen narrte mich, und ich kam zu hart an den Rand. Mein rechter Vorderreifen sackte mit bösem Zischen ab.
    Bevor ich noch halten konnte, tat es der rechte hintere ihm nach. Ich brachte den Wagen zum Stehen, halb auf dem Asphalt, halb auf der Böschung, stieg aus und leuchtete mit der Taschenlampe umher. Ich hatte zwei Platte und einen Reservereifen. Der flache Kopf eines schweren Stahlnagels blickte mir aus dem Vorderreifen entgegen. Der Straßenrand war übersät mit solchen Dingern. Sie waren beiseite gekehrt worden, aber nicht weit genug.
    Ich knipste die Taschenlampe aus und stand da und atmete Regen und blickte eine Seitenstraße hinauf auf ein gelbes Licht. Es schien aus einer Dachluke zu kommen. Die Dachluke konnte zu einer Garage, die Garage einem Mann namens Art Huck gehören, und vielleicht stand nebenan auch ein Fachwerkhaus. Ich vergrub mein Kinn im Kragen und ging darauf zu, kehrte dann noch einmal um, klemmte die Zulassungskarte vom Armaturenbrett und steckte sie in die Tasche. Ich beugte mich tiefer unters Steuer. Hinter einer beschwerten Klappe, direkt unter meinem rechten Bein, wenn ich im Wagen saß, war ein Geheimfach. Es lagen zwei Pistolen darin. Eine gehörte Eddie Marsens kleinem Lanny und die andere mir. Ich nahm Lannys. Sie hatte sicher mehr Übung als meine. Ich steckte sie mit dem Lauf nach unten in eine Innentasche und ging die Seitenstraße hinauf.
    Die Garage lag zirka hundert Meter von der Autostraße entfernt. Sie hatte zur Chaussee hin eine leere Seitenwand. Ich ließ rasch die Taschenlampe darüber huschen. »Art Huck –
    Autoreparaturen und Lacke«. Ich lachte in mich hinein, dann tauchte Harry Jones´ Gesicht vor mir auf, und ich hörte auf zu lachen. Die Garagentüren waren geschlossen, aber es war ein Lichtstreifen darunter und ein Strich Licht zwischen den Flügeln. Ich ging weiter. Auch das Fachwerkhaus war da, Licht in zwei

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