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Der große Schlaf

Der große Schlaf

Titel: Der große Schlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Chandler
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vom Haken am Holzrahmen des Fensters. Ich ließ es wieder fallen und zog das Telefon so weit wie möglich weg von dem kleinen toten Mann. Ich wählte die Auskunft. Die Stimme antwortete. »Geben Sie mir bitte die Telefonnummer von Apartment 301, Court Street 28.«
    »Einen Augenblick bitte.« Die Stimme kam zu mir, als würde sie vom Geruch der bitteren Mandeln getragen.
    Schweigen. »Die Nummer ist Wentworth 2528. Sie ist unter Glendower Apartments eingetragen.«
    Ich dankte der Stimme und wählte die Nummer. Es klingelte dreimal, dann war die Verbindung da. Ein Radio plärrte durch die Leitung und wurde leiser gestellt. Eine grobe Männerstimme sagte: »Hallo.«
    »Ist Agnes da?«
    »Hier gibtś keine Agnes, Freund. Welche Nummer wollen Sie?«
    »Wentworth zwei-fünf-zwei-acht.«
    »Nummer stimmt, Mädchen nicht. Is´ das nicht zum Heulen?« Die Stimme wieherte.
    Ich legte auf und griff wieder nach dem Telefonbuch und schlug die Wentworth Apartments auf. Ich wählte die Nummer des Verwalters. Ich hatte eine verschwommene Vision von Mr.
    Canino, der rasch durch den Regen zum nächsten Rendezvous mit dem Tod fuhr.
    »Glendower Apartments, Schiff am Apparat.«
    »Hier ist Wallis, Polizei-Erkennungsdienst. Ist ein Mädchen namens Agnes Lozelle bei Ihnen gemeldet?«
    »Wer, sagten Sie, sind Sie?« Ich sagte es ihm noch einmal.
    »Wenn Sie mir Ihre Nummer geben wollten, ich werde ...«
    »Lassen Sie das Theater«, sagte ich scharf. »Ich habś eilig.
    Ist sie gemeldet oder nicht?«
    »Nein. Ist sie nicht.« Die Stimme war steif wie ein Plättbrett.
    »Wohnt vielleicht eine große Blonde mit grünen Augen in Ihrer Absteige?«
    »Hörń Se mal, das hier is´ keine Absteige ...«
    »Machen Sie sich bloß nicht mausig.« Ich schnauzte ihn mit Polizistenstimme an. »Soll ich mal die Sitte rüberschicken und Ihre Bruchbude durchkämmen lassen? Ich weiß Bescheid über die Apartmenthäuser auf Bunker Hill, Mister. Besonders über die, die Telefonnummern für jedes Apartment haben.«
    »Jetzt machense malń Punkt, Wachtmeister. Sie sollen ja Ihre Auskunft bekommen. Klar haben wirń paar blonde Miezen hier. Wo gabś die nicht? Ihre Augen hab ich mir nicht angesehen. Ist Ihre alleinstehend?«
    »Allein oder mit einem kleinen Kerl, zirka eins sechzig, hundert Pfund, scharfe, schwarze Augen, trägt einen grauen Zweireiher, einen irischen Tweedmantel, grauen Hut. Nach meinen Informationen ist ś Apartme nt 301, aber dort meldet sich bloß der Witzbold vom Dienst.«
    »Nö, da is´ die auch nicht. Da wohnen zwei Autohändler, in drei-null-eins.«
    »Danke, ich komm mal vorbei.«
    »Machen Sieś unauffällig, ja? Kommen Sie direkt zu mir.«
    »Sehr freundlich, Mr. Schiff.« Ich legte auf.
    Ich wischte mir den Schweiß vom Gesicht. Ich ging durchs Büro und stand mit dem Gesicht zur Wand und schlug mit der Hand dagegen. Ich wandte mich langsam um und blickte hinüber auf den kleinen Harry Jones, der in seinem Sessel eine Grimasse schnitt.
    »Du hast ihn also reingelegt, Harry«, sagte ich laut, mit einer Stimme, die mir fremd klang. »Du hast ihn angelogen und dein Zyankali getrunken wie ein kleiner Gentleman. Du bist verreckt wie eine vergiftete Ratte, Harry, aber für mich bist du keine Ratte.«
    Ich mußte ihn durchsuchen. Es war ein übler Job. Seine Taschen verrieten nichts über Agnes, sie verrieten mir überhaupt nichts Brauchbares. Ich hatte mir das schon gedacht, aber ich mußte sichergehen. Mr. Canino konnte noch einmal zurückkommen. Mr. Canino war der Typ eines Herrn mit Selbstvertrauen, der ohne weiteres zum Ort seiner Tat zurückkehrt. Ich machte das Licht aus und wollte gerade die Tür öffnen, als die Telefonglocke an der Fußleiste schrill zu klingeln anfing. Ich lauschte, meine Kinnmuskeln verkrampften sich schmerzhaft. Dann schloß ich die Tür und machte das Licht wieder an und ging hinüber.
    »Ja?«
    Eine Frauenstimme. Ihre Stimme. »Ist Harry da?«
    »Momentan nicht, Agnes.«
    Daraufhin wartete sie ein Weilchen. Dann sagte sie langsam:
    »Wer spricht?«
    »Marlowe, der Kerl, der Ihnen immer Ärger macht.«
    Scharf: »Wo ist er?«
    »Ich bin hergekommen, um ihm für eine gewisse Auskunft zweihundert Dollar zu geben. Das Angebot steht. Ich habe das Geld. Wo sind Sie?«
    »Hat erś Ihnen nicht gesagt?«
    »Nein.«
    »Dann fragen Sie ihn doch. Wo ist er?«
    »Ich kann ihn nicht fragen. Kennen Sie einen Mann namens Canino?«
    Ihr Schnaufer klang so deutlich, als stünde sie neben mir.
    »Wollen Sie die zwei Scheine

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