Der große Schlaf
sind und daß jeder x-beliebige Wurm jeden x-beliebigen Wurm lieben kann?«
»Sie sind ein wenig benommen«, sagte sie mit ernstem Blick.
»Würden Sie bitte dieses Licht wegmachen?«
Sie stand auf und trat hinter die Chaiselongue. Das Licht ging aus. Das Halbdunkel war ein Segen.
»Ich glaube nicht, daß Sie so gefährlich sind«, sagte sie. Sie war eher groß als klein, aber keine Bohnenstange. Sie war schlank, aber kein ausgetrockneter Hering. Sie ging zu ihrem Sessel zurück.
»Sie kennen also meinen Namen.«
»Sie haben gut geschlafen. Sie hatten jede Menge Zeit, Ihre Taschen zu durchsuchen. Sie haben Sie regelrecht auseinandergenommen, ein Wunder, daß sie Sie nicht einbalsamiert haben.
Sie sind also ein Detektiv.«
»Ist das alles, was sie gegen mich haben?«
Sie schwieg. Von ihrer Zigarette wehte schwacher Rauch.
Sie bewegte sie in der Luft. Ihre Hand war klein und gut geformt, nicht wie das übliche, knochige Gartengerät, das man heutzutage an den Frauen sieht.
»Wie spät ist es?« fragte ich.
Sie sah seitwärts über die Rauchspirale hinweg auf ihr Handgelenk am Rand des Lichtkegels der Lampe. »Zehn Uhr siebzehn. Haben Sie eine Verabredung?«
»Kann schon sein. Ist dies das Haus neben Art Hucks Garage?«
»Ja.«
»Womit sind die Jungs zugange – schaufeln sie ein Grab?«
»Sie mußten irgendwohin.«
»Sie meinen, sie haben uns hier allein gelassen?«
Langsam wandte sie wieder den Kopf. Sie lächelte. »Sie sehen nicht gefährlich aus.«
»Ich dachte, sie hielten Sie gefangen.«
Es schien sie nicht zu überraschen. Es amüsierte sie sogar ein bißchen. »Wie kommen Sie denn darauf?«
»Ich weiß, wer Sie sind.«
Ihre sehr blauen Augen blitzten so scharf auf, daß ich förmlich den Hieb ihres Blickes sah, wie den Hieb eines Schwerts. Ihr Mund preßte sich zusammen. Aber ihre Stimme klang unverändert.
»Dann, fürchte ich, sind Sie in einer bösen Lage. Und ich hasse alles Töten.«
»Und Sie wollen die Frau von Eddie Mars sein? Schämen Sie sich.«
Das gefiel ihr nicht. Sie funkelte mich an.
Ich grinste. »Wenn Sie schon diese Armbänder nicht aufschließen können, was ich Ihnen auch nicht geraten haben will, dürfen Sie mir doch wenigstens einen Schluck aus Ihrem Glas geben, das Sie so mißachten.«
Sie brachte das Glas herüber. Bläschen stiegen in ihm auf wie falsche Hoffnungen. Sie beugte sich über mich. Ihr Atem war so sanft wie der Blick eines Rehs. Ich nahm einen tüchtigen Schluck. Sie nahm mir das Glas vom Mund und sah zu, wie mir die Flüssigkeit übers Kinn sabberte.
Sie beugte sich wieder über mich. Das Blut begann sich in mir zu regen wie in einem Bauherrn beim Richtfest. »Ihr Gesicht sieht aus wie ein Schlachtfeld«, sagte sie.
»Nehmen Sieś, wieś ist. Bald wird es noch ganz anders aussehen.«
Sie warf jäh den Kopf herum und lauschte. Einen
Augenblick lang war sie ganz bleich. Aber man hörte nichts als den Regen, der an die Mauern schlug. Sie ging zurück durchs Zimmer und stand neben mir und sah etwas vorgeneigt zu Boden. »Warum sind Sie hergekommen und haben den Kopf hingehalten?« fragte sie ruhig. »Eddie hat Ihnen doch nichts getan. Sie wissen ganz genau, daß die Polizei mit Sicherheit annehmen würde, Eddie hätte Rusty Regan ermordet, wenn ich hier draußen nicht versteckt wäre.«
»Das hat er auch getan«, sagte ich.
Sie bewegte sich nicht, rührte sich kein bißchen von der Stelle. Sie atmete rauh auf. Ich sah mich im Zimmer um. Zwei Türen, beide in derselben Wand, eine halb offen. Ein Teppich mit roten und gelben Feldern, blaue Vorhänge an den Fenstern, eine Tapete mit leuchtend grünen Pinien darauf. Die Möbel sahen aus, als kämen sie von einer dieser Firmen, deren Reklame über den Bussitzen hängt. Heiter, aber stabil.
Sie sagte sanft: »Eddie hat ihm nichts getan. Ich habe Rusty seit Monaten nicht gesehen. Eddie ist nicht von der Sorte.«
»Sie haben sich von Eddies Bett und Tisch getrennt. Sie haben allein gelebt. Die Leute in dem Haus, in dem Sie wohnten, haben Regan auf einem Foto wiedererkannt.«
»Das ist eine Lüge«, sagte sie kalt.
Ich versuchte mich zu erinnern, ob Captain Gregory das gesagt hatte oder nicht. Mein Kopf war zu wirr. Ich war mir nicht sicher.
»Außerdem geht Sie das gar nichts an«, fügte sie hinzu.
»Es geht mich sehr wohl was an. Ich habe den Auftrag, die ganze Sache aufzuklären.«
»Eddie ist nicht von der Sorte.«
»Sie scheinen für solche Ganoven was übrig zu haben.«
»Solange es
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