Der große Schlaf
Menschen gibt, die spielen, wird es auch Orte geben, wo sie spielen können.«
»Das ist doch pures Wunschdenken. Wer sich außerhalb des Gesetzes stellt, steht draußen. Sie meinen, er sei nur ein Spieler. Ich meine, er ist ein Pornograph, ein Erpresser, einer, der geklaute Wagen verhökert, der per Fernlenkung mordet, und der korrupte Bullen schmiert. Er ist überall dabei, woś was zu ergattern gibt, wo man einen Reibach machen kann.
Versuchen Sie mir bloß nichts weiszumachen von hehren, edlen Ganovenseelen. So was gibtś einfach nicht.«
»Er ist kein Mörder.« Sie runzelte die Stirn.
»Nicht persönlich. Er hat ja Canino. Canino hat heute abend einen Mann ermordet, einen harmlosen, kleinen Kerl, der jemandem aus der Patsche helfen wollte. Ich habe bei dem Mord so gut wie zugesehen.«
Sie lachte gequält auf.
»In Ordnung«, knurrte ich. »Sie glauben mir nicht. Wenn Eddie so ein feiner Kerl ist, möchte ich gern mal mit ihm allein sprechen dürfen, wenn Canino nicht in der Nähe ist. Sie wissen ja, was Canino täte – er würde mir die Zähne einschlagen und anschließend in den Bauch treten, weil ich sie ausspucke.«
Sie legte den Kopf zurück und stand still und versunken da und dachte nach.
»Ich dachte, Platinblond sei passé«, brabbelte ich weiter, bloß um ein Geräusch im Raum zu haben, bloß um nicht lauschen zu müssen.
»Es ist eine Perücke, Dummkopf. Bis meins nachgewachsen ist.« Sie griff hoch und nahm die Perücke ab. Ihr echtes Haar war ganz kurz geschnitten wie das eines Jungen. Sie setzte die Perücke wieder auf.
»Wer hat das mit Ihnen gemacht?«
Sie blickte überrascht. »Ich habe es machen lassen.
Warum?«
»Ja. Warum?«
»Nun, um Eddie zu zeigen, daß ich tun wollte, was er mir sagte – mich verstecken. Daß er mich nicht bewachen lassen brauchte. Er sollte sich auf mich verlassen können. Ich liebe ihn.«
»Heiliger Bimbam«, stöhnte ich. »Und jetzt hocken wir nun beide zusammen im gleichen Zimmer.«
Sie drehte ihre Hand um und betrachtete sie. Dann ging sie plötzlich aus dem Raum. Sie kam mit einem Küchenmesser zurück. Sie beugte sich nieder und sägte an den Stricken. »Canino hat den Schlüssel zu den Handschellen«, sagte sie. »Ich kann da nichts machen.«
Sie trat hastig atmend zurück. Sie hatte jeden Knoten einzeln durchschnitten.
»Sie sind wirklich Klasse«, sagte sie. »Daß Sie jetzt noch Witze reißen können – bei der Lage, in der Sie sind.«
»Ich dachte, Eddie ist kein Mörder.«
Sie wandte sich rasch ab und ging zurück zu ihrem Sessel neben der Lampe und setzte sich und verbarg das Gesicht in den Händen. Ich schwang die Füße auf den Boden und stand auf. Ich taumelte steifbeinig hin und her. Der Nerv auf der linken Seite meines Gesichts zuckte bis ins kleinste Fäserchen.
Ich machte einen Schritt. Ich konnte noch gehen. Ich konnte auch rennen, wenn es sein mußte.
»Sie wollen vermutlich, daß ich jetzt gehe«, sagte ich. Sie nickte, ohne den Kopf zu heben.
»Dann tun Sie gut daran, mitzukommen - wenn Ihnen Ihr Leben lieb ist.«
»Verschwenden Sie keine Zeit. Er kann jeden Moment zurück sein.«
»Stecken Sie mir eine Zigarette an.«
Ich stand neben ihr und berührte ihre Knie. Sie sprang mit einem Ruck auf die Füße. Unsere Augen waren nur wenig voneinander entfernt.
»Hallo, Silberperückchen«, sagte ich zärtlich. Sie trat zurück, ging um den Sessel und griff ein Päckchen Zigaretten vom Tisch. Sie schüttelte eine lose und stieß sie mir in den Mund. Ihre Hand zitterte. Sie knipste ein kleines, grünes Lederfeuerzeug an und hielt es an die Zigarette. Ich zog den Rauch ein und starrte in ihre seeblauen Augen. Während sie ganz dicht bei mir stand, sagte ich:
»Ein kleiner Vogel namens Harry Jones hat mich zu Ihnen geführt. Ein kleiner Vogel, der viel in den Cocktailbars herumhüpfte und Rennwetten als Krumen aufpickte. Auch Informationen hat er aufgepickt. Dieser kleine Vogel pickte zum Beispiel etwas über Canino auf. Auf die eine oder andere Weise haben er und seine Freunde herausgefunden, wo Sie sich aufhalten. Er ist zu mir gekommen, um mir diese Information zu verkaufen, weil er wußte – woher erś wußte, das ist eine lange Geschichte –, daß ich für General Sternwood arbeite. Ich bekam die Information, aber Canino bekam den kleinen Vogel.
Jetzt ist er ein toter, kleiner Vogel, mit zerzausten Federn und schlaffem Hals und einem Tropfen Blut am Schnabel. Canino hat ihn umgebracht. Aber Eddie Mars würde so etwas
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