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Der große Sprung

Der große Sprung

Titel: Der große Sprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leigh Brackett
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zwischen den Seitengittern des Bettes war Ballantyne. Ja, es war Ballantyne, tot, völlig tot. Keine Decke verhüllte die tote Blöße, kein Atem hob den flachen Brustkorb, kein Puls schlug unter der bleichen, fast durchsichtigen Haut. Das Netzwerk von Adern und Venen zeichnete sich ab, und das Gesicht war …
    Tot. Und doch – bewegte es sich.
    Das schwache pausenlose Zucken und Zittern des Fleisches, das Comyn aufgefallen war, als Ballantyne noch gelebt hatte, war nun stärker. Es schien, als hätte eine neue, schreckliche Art von Leben die ausgezehrte Hülle übernommen, die Ballantyne zurückgelassen hatte: ein geistloses, blindes, gefühlloses Leben, das nichts weiter verstand, als sich zu bewegen, an den Muskeln zu zupfen und zerren, die die skelettähnlichen Glieder bewegten, sie zu heben und zu senken, die Hände zu öffnen und zu schließen, den Kopf von Seite zu Seite zu drehen.
    Es war eine Bewegung, hinter der kein Verstand steckte: eine lautlose Bewegung, unter der nur hin und wieder das Bettuch raschelte; eine Bewegung, die selbst das Gesicht nicht verschonte, hinter dem kein Bewußtsein mehr steckte, und es …
    Comyn hörte einen heiseren Laut. Er kam von ihm selbst, als er zu sprechen versuchte und es nicht konnte. Er ließ das Bett los. Danach sah und hörte er nichts mehr, bis er heftig gegen etwas Hartes prallte. Der Aufschlag brachte ihn ein wenig zu sich. Er blieb am ganzen Körper zitternd stehen, wo er war, und sein Atem rasselte in der Kehle. Allmählich hörte das Zimmer zu schaukeln auf, und er konnte wieder einigermaßen klar denken.
    Peter Cochrane sagte: »Sie wollten ihn ja unbedingt sehen.«
    Comyn antwortete nicht. Er entfernte sich so weit vom Bett, wie es nur ging. Immer noch konnte er das leichte Rascheln hören, das sich ständig wiederholte.
    Cochrane wandte sich wieder an den Arzt. »Was ich unbedingt wissen muß, ist das«, sagte er, »kann Ballantyne je wieder – leben? Als Ballantyne, meine ich. Als Mensch, als Individuum?«
    Der Arzt schüttelte den Kopf. »Nein. Ballantyne starb an Herzversagen durch Erschöpfung. Nach allen physiologischen Werten ist er tot. Sein Gehirn zersetzt sich bereits. Aber in seinem Körper steckt ein Rest einer unnatürlichen neuen physiologischen Aktivität – Leben kann ich das wohl kaum nennen.«
    »Welcher Art ist diese Aktivität? Wir sind keine Fachleute, Doktor.«
    Der Arzt zögerte. »Die üblichen Vorgänge des Metabolismus in den Körperzellen hörten natürlich auf, als Ballantyne starb. Aber etwas macht weiter. Es ist ein völlig neuer Prozeß, ein niedriger Energiestrom in den Zellen, der nicht auf die üblichen biochemischen Vorgänge des Metabolismus zurückzuführen ist, sondern auf den langsamen Zerfall bestimmter Transurane.«
    Comyns Kopf ruckte hoch.
    »Sie meinen damit, er erlitt eine Art radioaktiver Vergiftung?« sagte Cochrane nachdenklich.
    Der Arzt schüttelte den Kopf, und Roth sagte überzeugt: »Das ist ganz sicher keine toxische Radioaktivität. Die von Ballantynes Körperzellen absorbierten Elemente liegen außerhalb des Bereichs unserer Chemie, selbst der mit Transuranen experimentierenden. Sie geben keine schädliche Strahlung ab, sondern Energie.«
    Unwillkürlich blickten alle kurz zum Bett. Cochrane sagte mit ernstem Gesicht: »Dann sind seine – Bewegungen also lediglich mechanische Reflexe?«
    Der Arzt nickte. »Ja, das Zytoplasma der kontraktilen Zellgewebe, wie die Muskelfasern, wird durch den Energiestrom ständig aktiviert.«
    »Aber er ist wirklich tot?«
    »Ja. Er ist tot.«
    Stanley brach das brütende Schweigen, das diesen Worten gefolgt war. »Was sollen wir mit ihm machen? Wir können ihn niemand in diesem Zustand zeigen. Es würde ein fürchterliches Geschrei geben, man würde eine Untersuchung vornehmen, und alles würde an die Öffentlichkeit gelangen.«
    »Nein, niemand darf ihn sehen«, pflichtete Cochrane ihm bei. Nach einer kurzen Weile wandte er sich wieder an Stanley. »Stell die Verbindung zu den Pressediensten her und sag ihnen, daß wir Ballantyne eine Heldenbestattung geben werden, wie ein Mann wie er sie sich verdient hat – eine, bei der die ganze Erde zusehen kann.«
    »Die ganze Erde! Du mußt verrückt sein, Peter …«
    »Glaubst du? Möglich. Jedenfalls hatte Ballantyne keine nahen Angehörigen mehr, also kann niemand uns davon abhalten. Sag den Pressefritzen, wer will, soll in einer Stunde den Blick auf die Nordwestecke des Mare Imbrium richten.«
    Da verstand Comyn. Er

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