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Der große Sprung

Der große Sprung

Titel: Der große Sprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leigh Brackett
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gesehen hatte – außer vielleicht in seinen Träumen. Und ihre Blätter hingen in seltsam verschnörkelter Form herab, kupfern, golden und von bleichem Silber im Schein der Monde. Fremdartige Düfte stiegen von den moosartigen Pflanzen auf, die er unter seinen Füßen zerquetschte, und immer wieder streiften lianenähnliche Ranken sein Gesicht. Immer noch eilte Vickrey gleichmäßigen Schrittes dahin und wirkte wie ein weißer Schatten in der Düsternis des Waldes. Comyn hatte das Gefühl, einem Geist zu folgen.
    Nach einer Weile fragte Comyn. »Was sind das für Leute, bei denen Sie jetzt sind? Sie sagten, sie haben Rache und vieles andere, was zu ihrem früheren Leben gehörte, vergessen. Bedeutet das, daß sie einmal Menschen waren, wie …«
    Er unterbrach sich verlegen, aber Vickrey drehte sich lächelnd zu ihm um und beendete den Satz für ihn. »Wie ich, ja. Barnards Stern hat acht Planeten. Sie kamen ursprünglich vom fünften. Als ihre Sonne kälter wurde, zogen sie von einem Planeten zum anderen immer näher an sie heran. Im Lauf vieler Äonen erreichten sie schließlich diese Welt und fanden die Transuranae. Nun wollen sie nie wieder von hier fort. Ihre lange Reise ist zu Ende.«
    Comyn sah die feingliedrigen Gestalten vor sich, die elfengleich durch den Hain gehuscht waren, nackt und ohne eine richtige Sprache, die sich nur mit diesen Trillertönen verständigten. Ungläubig fragte er: »Wollen Sie damit sagen – ich meine, soll das heißen, daß sie Raumschiffe hatten? «
    »O ja. Raumschiffe, Großstädte, Kriege, Medizin und Politik: Zivilisation. Hinter den Bergen stehen noch die Ruinen der Städte, die sie erbauten, als sie auf Barnard 2 ankamen. Es müssen schöne Bauwerke gewesen sein, ich habe die Ruinen gesehen. Ihre Kultur hatte ungefähr den gleichen Stand wie unsere jetzt.« Er schüttelte den Kopf. »Es fällt mir allmählich schwer, an solche Dinge auch nur zu denken. Der Geist paßt sich so leicht der veränderten Vorstellung von Wichtigkeit an.«
    Nach einer Weile fügte er hinzu. »Ich wollte, Ihr Schiff wäre nicht gekommen. Es ist unglücklich, zu versuchen, wieder Vickrey zu sein.«
    Comyn fiel natürlich die seltsame Wortwahl auf, aber er forschte ihr nicht nach. Statt dessen fragte er keuchend: »Werden Sie denn überhaupt nicht müde?«
    Vickrey machte eine ungeduldige Geste, aber er ging von da an langsamer. Dankbar schritt Comyn neben ihm her. Er war froh, daß sein Herz sich allmählich wieder beruhigte und der Schweiß nicht mehr ganz so dick über den Rücken rann, auf den der Schutzanzugpacken drückte. Sie waren der Schlucht nun schon näher, und die Stimmen klangen klar wie die großer Vögel. Es sprach keine Drohung aus ihnen.
    »Wie haben sie das alles verloren?« fragte er. »Die Raumschiffe, meine ich, ihre Städte, ihre Zivilisation eben.«
    »Ich erwähnte es bereits. Sie fanden die Transuranae.«
    »Krieg?«
    Vickrey schaute ihn an, als hätte er etwas sehr Kindisches gesagt. »Nein. Es war lediglich eine Frage des Bedürfnisses.«
    »Bedürfnisses?«
    »Ja. Alles, was die Menschheit bisher getan hat, entsprang dem einen oder anderen Bedürfnis: nach Nahrung, nach einem Dach über dem Kopf, nach Schutz. Die Zivilisation entwickelte sich, damit diese Bedürfnisse leichter gestillt werden konnten. Braucht man all das jedoch nicht mehr, so ist man diesem Entwicklungsstadium entwachsen, warum also sollte man die Zivilisation aufrechterhalten?«
    »Heißt das tatsächlich, daß Sie auf all die Lebensnotwendigkeiten verzichten können, Vickrey? Kommt es durch diese seltsame transuranische Vergiftung?«
    »Es ist keine Vergiftung, sondern eine Transmutation, eine völlige physiologische Veränderung, nach der es den normalen Metabolismus nicht mehr gibt, da er durch Energie abgelöst wurde. Die Zellen haben sich mit Transuran gesättigt, und die Energie davon fließt stetig durch den Körper, der dadurch ein neues selbsterhaltendes Leben hat. Für ihn gibt es weder Hunger noch Furcht mehr. Dadurch braucht der Geist, der in ihm wohnt auch keine Nahrung, keinen Unterschlupf und keinen Schutz mehr. Städte, Finanzen, das komplexe Gesellschaftssystem, Arbeit, Gewinn, Kriege und Habgier – all das wird dadurch hinfällig –, selbst die Sprache. Klingen sie hier nicht lächerlich, diese pompösen Worte?«
    Ein seltsames Gefühl wühlte Comyn bei dieser Eröffnung auf – bei dieser Vorstellung einer so völlig neuen Lebensart.
    »Aber der Kontakt mit radioaktiver Materie ist

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