Der große Stier
…
Eine vom Pentagon freigegebene Nachricht kündig te die Entwicklung eines Nervengases an, das »direkt auf die Prostatadrüsen feindlicher Soldaten einwirkt, eine sofortige Ejakulation und anschließende Einsatzunfähigkeit zur Folge hat«.
Im Unterhaltungsteil waren drei verschiedene Berichte über Stier und Stiermusik groß aufgemacht: Die Konstruktion des Stierschreins in Stratford, der plötzli che Erfolg von Stier Nr. 2 und Stier Nr. 3, die Stierma nie in Greenwich Village, Sunset Strip und North Beach.
Als Paul das vertraute Tick-Tick-Tick von Miss Cooks Absätzen im Gang hörte, sah er von seiner Zeitung auf. Miss Cook hatte sich sehr schön verpackt in eine burgunderfarbene Seidenbluse und einen engen weißen Rock, ihr Haar war steif zurechtgekämmt. Ihr Gesichtsausdruck lag irgendwo unter dem Gefrierpunkt.
»Ich nehme an, Sie haben das Neueste gehört«, sag te sie.
»Welches Neueste?«
»Das von Jerry Miller.«
»Was ist mit Jerry Miller?«
»Er ist an die Luft gesetzt worden. Gerner hat eine Notiz hinterlassen. Sie werden Jerrys Bücher übernehmen. Und auch eine Gehaltserhöhung bekommen, denke ich. Freuen sie sich jetzt?«
»Im Augenblick sind Sie etwas boshaft, Miss Cook. Ich habe ihn nicht an die Luft gesetzt. Wo ist er?«
»Er hat mich angerufen. Er möchte, daß ich die Sachen aus seinem Schreibtisch zusammenpacke. Er ist mit Chris am Museum.«
»Und wer ist Chris am Museum?«
»Jerry lebt mit Chris zusammen, sie ist zufällig eng mit mir persönlich befreundet.«
»Wie, Miss Cook! Sie sind aber mit rassigen Leuten persönlich befreundet!«
»Ihre Laune mag ich nicht.« Miss Cook räusperte sich. »Ich bin in Ihr Büro gekommen, weil ich Sie an die Party erinnern sollte, die KFRT morgen geben wird. Außerdem sind zwei neue Stierplatten im Postzimmer, falls Sie sie hören wollen. Und das wollen Sie doch sicher, jetzt wo Sie den Text zu schreiben haben.«
Sie drehte sich um, und mit einer sarkastischen kleinen Bewegung ihres Hinterteils marschierte sie steif zur Tür hinaus.
Paul dachte an Jerry und seine Freundin, wie sie durch das Museum wanderten. Wahrscheinlich an ihren Handflächen schnuppernd und an die Särge im Raum für Ägyptologie stoßend. Ein kleines Schnuppern an dem weißen Lehm würde Miss Cook gewaltig gut tun, dachte er; dann nahm er die Zeitung wieder zur Hand.
Am Abend betrank sich Paul im ›Cat and Fiddle‹ vollständig, und als er wieder nach Hause ging, fiel er von der vierundzwanzigsten Stufe herunter.
Am Freitagmorgen schrieb Paul drei verschiedene Werbetexte für HUMANUR; den Freitagnachmittag verbrachte er größtenteils mit Band drei (Baltim bis Brasilien) der »Encyclopedia Brittanica«. Halb hatte er einen Besuch von Jerry, ein paar Salven Sarkasmus von Miss Cook oder sonst etwas erwartet, das den merkwürdig ruhigen Nachmittag unterbrechen würde.
Dann fiel ihm die Party ein – sie mußten wohl alle zum ›Pink Garter‹ hinübergegangen sein. Nicht einmal Collier reagierte auf seinen Summer. Paul steckte sich eine neue Schachtel Zigarettenin die Tasche und schlenderte aus dem Büro hinaus.
Am Freitagnachmittag ist ganz San Francisco eine Party. Die Luft ist mit Zimtreis und frischem Brot gewürzt, Autos hupen daherstolzierenden Sekretärinnen verwegene Einladungen zu, auf den Gehsteigen drängen sich Männer in dunklen Anzügen, die nach Friseur riechen, ein parfümiertes Lächeln auf ihrem Gesicht haben und das Pflaster mit blanken Lederschuhen bepflanzen.
Als Paul das ›Pink Garter‹ betrat, nahm er seine Sonnenbrille ab und bahnte sich einen Weg bis zum Ende der Bar. Ein Mädchen im rosa Bikini, auf dessen keckem Hinterteil die Buchstaben KFRT aufgedruckt waren, gab ihm einen Namenszettel und einen fettigen Bleistift. Er kritzelte »Pgjxyn Oggdb« auf den Zettel und klemmte sich ihn an seinen Rockaufschlag.
Am Rande der Tanzfläche bewegten sich Kellnerinnen von einem Tisch zum andern, mit Tabletts voller Drinks und Sandwiches in der Größe von Streichholzschachteln. Sie waren nackt bis auf kurze schwarze Stiefel, enge schwarze Höschen und große, zerzauste Platinperücken, mit denen sie aussahen wie James Madison als Frau aufgemacht.
Ein Beamter irgendwelcher Art versuchte, mitten auf der Tanzfläche stehend, eine Rede zu halten. »Dam und Herrn, darf grüß bei KFRT, geben grau grau groß Willkomm un schöne Herwartigung!« Er streckte seine Hände aus zum Zeichen, daß Ruhe herrschen sollte, und wurde berauscht durch die
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