Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der große Stier

Der große Stier

Titel: Der große Stier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Sanborn
Vom Netzwerk:
an.
    »Was hast du deinen Eltern erzählt, Beebee?«
    »Worüber?«
    »Wo du heute abend hingingest?«
    »Papa ist in Fresno. Meiner Mutter hab ich nichts gesagt, sie ist mit dem guten ollen Onkel David ausgegangen. – Oh! Ich muß dir das Spiel erklären!« Sie stand im Kücheneingang und hatte ihre kleinen Daumen in die Taschen ihres Capris eingehängt.
    »Wie sind die Spielregeln?«
    »Zieh dich erst aus!«
    »Für eine Vierzehnjährige, Beebee, weißt du anscheinend eine riesige Menge Spiele, für die man sich ausziehen muß …«
    »Fünfzehnjährige.« Sie zog den Reißverschluß von ihrer Hüfte nach unten.
    Paul trank das Glas Wein aus und fing an, sich auszuziehen.
    Beebee zerrte ihr Capris zu den Füßen herunter und stieß es weg.
    »Ich hab mir heute einen neuen Büstenhalter gekauft. Er schiebt sie nach oben und nach vorn, verstehst du? Gefällt er dir?«
    »Ich würde sie lieber selbst nach oben und nach vorn schieben.«
    »Du wirst Gelegenheit dazu haben.« Sie ließ die Träger über die Schultern herunterfallen und beugte sich nieder, um sich an den Knien zu kratzen. »Meine Knie haben mich gejuckt.«
    Paul ging zum Bett herüber und wollte sich darauf setzen.
    »Nein«, sagte Beebee, »wir müssen es auf dem Fußboden machen.«
    »Was machen?«
    »Das Spiel. Komm schon, ich zeig dir’s. Ein Mädchen in der Schule hat mir davon erzählt. Keine Möglichkeit, schwanger zu werden.«
    »Nimmst du denn keine Pillen mehr?«
    »Doch, sicher. Aber ich glaube, dies Spiel ist erfunden worden, als es noch keine Pillen gab. Egal, fangen wir an. Es macht Spaß!«
    »Was sollen wir denn da machen?«
    »Buchstaben bilden. Mit unseren Körpern, meine ich. Und es ist alles erlaubt dabei. Zuerst machen wir das A, dann das B, dann das C, und so immer weiter. Wir müssen zehn Sekunden lang in jeder Stellung bleiben, eh wir zum nächsten Buchstaben übergehen.«
    »Das kann doch nicht dein Ernst sein …«
    »Doch, ist es! Guck dich doch mal an«, sagte sie und zeigte zwischen seine Beine. »Du hast schon angefangen, das A zu machen! Sieh nur mal! Ich stehe so, halte deine Schultern fest, und wir sind ein großes A!«
    Paul lachte und half ihr. »Wer gewinnt?«
    »Wer den andern zuerst dazu bringt, aufzuhören. O. K., wir haben’s, jetzt müssen wir zehn Sekunden lang so bleiben.«
    Für das B verschränkte Beebee ihre Hände hinter Pauls Hals, schlang ihre Beine um seine Hüften und lehnte sich zurück.
    »Und jetzt«, sagte sie, »heb ein Bein hoch und berühre den anderen Knöchel mit deinem Fuß … Ooo siehst du? Sehr schönes B!«
    Das C fanden sie langweilig, das D probierten sie mehrmals, bis sie das kleine d heraus hatten und gut über eine Minute in der Stellung blieben. Als sie bis zum K gelangt waren, war Paul bereit, nachzugeben. Beim Q mogelte Beebee ein wenig, und beim R verlor Paul das Spiel.
    Später, in der Nacht, bewegte sich Beebee im Bett nach oben, bis ihre Lippen nur noch wenige Zoll von Pauls Ohr entfernt waren.
    »In der Nacht«, flüsterte sie, »kommt mir manchmal dies unheimliche Gefühl, daß nichts irgendwas bedeutet. Und dann erschrecke ich.«
    Sie legte ihre kleine Hand auf seinen Brustkasten.
    »Ich wünschte, ich wäre auf die Welt gekommen, als die Menschen noch an Gott glaubten und so was, weißt du? Und die meisten heirateten für eine Zeitlang?«
    Ihre Hand sank zu seiner Taille herunter.
    »Der Bruder meiner Schulfreundin ist vorige Woche getötet worden, drüben im ›Krieg‹. Er war achtzehn, verstehst du? Und ich werde nächsten Monat fünfzehn, und womöglich hab ich dann nur noch drei Jahre zu leben. So können die Menschen sterben. Vielleicht werde ich nie so alt wie du, nicht? Ich muß alles jetzt tun. Könntest du mir was beibringen? Paul? Tätest du das?«
    Sie zuckte mit dem Kopf zurück, als Paul sich umdrehte und das Kissen unter seinem Kinn einklemmte. Er schlief.
     
    In seinem Büro las Paul die Donnerstag-Morgenausgabe von ›The Chronicle‹. Ein Stanforder Psychologe erklärte, der nun schon legendäre Todessprung der zweiten Klasse von der Lincoln-Oberschule sei »ein einzigartiges Beispiel der gegenseitigen Beeinflussung einer Gruppe von Gleichgestellten, die sich im offenkundigen Ausdruck einer von außen her gelenkten Wertabweisung vereinigt haben«.
    Er überlas flüchtig eine Notiz über Kannibalismus in Los Angeles … gegen elf Einwohner von Brentwood vorgegangen und sie aufgegessen, einen Immobilienmakler aus der Culver City teilweise verzehrt

Weitere Kostenlose Bücher