Der große Stier
weißen Lehm.«
Miss Cook sah aus dem Fenster. »Ich hätte es nicht getan, wenn ich nicht betäubt gewesen wäre.«
Paul nickte.
»Die Musik war auch mit schuld, daß ich es wollte.«
Paul kämmte sich mit gespreizten Fingern das Haar aus der Stirn und steckte sich dann eine Zigarette an.
»Werden Sie mich jetzt nicht fragen?«
»Was fragen?«
»Warum ich nicht mehr unberührt bin.«
»Das könnte ich mir wahrscheinlich selbst zusammenreimen.«
»Ich bin vergewaltigt worden, als ich dreizehn war.« Sie wartete auf seine Reaktion, sah aber keine. »Durch meinen Vater.«
»Das muß schrecklich gewesen sein«, sagte Paul. »Aber es ist besser als ein Feuerlöscher.«
»Ich habe versucht, es zu vergessen.« Als sie das Kopfkissen hinter ihrem Rücken hervorzog, fiel ihr die Decke von den Brüsten. Sie deckte sich rasch zu. »Waren Sie einmal verheiratet?«
»Natürlich.«
»Wo ist Ihre Frau? Ich meine, Ihre ehemalige Frau?«
»Weiß nicht. Irgendwo in einem Wohnwagen, neh me ich an.«
»Hatten Sie Kinder?«
»Einen Sohn.«
»Warum haben Sie Schluß gemacht?«
»Sie stellte fest, ich wäre homosexuell.«
»Nein, aber wirklich …«
»Wir sind nicht nett zueinander gewesen. Und ich glaube, daß wir Angst hatten, es würde uns etwas feh len, wenn wir zusammen blieben. Das einerseits, und auch fehlen, wenn wir nicht mit jemand anderem zusammenkämen.«
»Haben Sie sich denn nicht geliebt?«
»Wir haben sehr viel rumgevögelt. Tatsächlich, wir konnten uns nur in einem einig sein – auf einer Matrat ze. Glauben Sie, daß noch Kaffee da ist?«
»Stimmt es, daß Sie ein College in London besucht haben?«
»Sie wissen doch, wo die Personalakten sind.«
»Ich kann nicht verstehen, warum Sie sich jemals zur Werbung entschlossen haben.«
»Schelten Sie nicht auf die Werbung. Ohne sie hätten die Apostel niemals Jesus hochbringen können. Wo ist der Kaffee? Ich möchte erst sicher sein, daß ich absolut nüchtern bin, eh ich mich ausziehe und wieder ins Bett gehe.«
»Jesus war ein gutes Erzeugnis«, sagte Miss Cook, als sie das Betttuch einschlug. »G., F. & M. hat keinen Jesus.«
»Aber sicher haben wir einen. Haben Sie es nicht gehört? Er heißt Stier.«
»R ATTENFÄNGER VON H AMELN IN L OS A NGELES ?
K INDER UND P OLIZISTEN IN EINEM B LUMENREGEN
Die ›show-down‹ Gegenüberstellung von Teenagern aus Sunset Strip und dem Polizeidepartment Los Angeles endete mit dem bizarrsten Vorfall, den der Berichterstatter jemals gesehen hat.
Was nach den Befürchtungen vieler die blutigste Schlacht hätte werden können, die jemals auf dem von Aufruhr heimgesuchten Sunset Strip ausgefochten wurde, das wurde statt dessen zu einem märchenhaften Auftritt, wie er nur in dieser Stadt der Täuschungen inszeniert werden konnte.
Gegen einundzwanzig Uhr und fünfzehn Minuten waren die Schlachtlinien gezogen. Die Teenager, etwa zweitausend oder dreitausend, trugen dicke Kleidung zum Schutz vor geschleuderten Schlagstöcken. Sie verhielten sich still, ausgenommen ein paar Mädchen in der vordersten Reihe, die zu schreien begannen, als die Polizeihunde erschienen.
Knapp zwanzig Meter weiter schnallten sich etwa vierhundert Polizisten den Kinnriemen fester, ließen den Lauf ihres Dienstrevolvers sehen und hielten ihre Schlagstöcke bereit. Sie wollten ebenso vorgehen wie gegen die Kriegsdemonstranten: Zuerst würden sie die Hunde loslassen, dann die Massen mit Schlagstöcken stürmen, schließlich mit Tränengasbomben unter ihnen aufräumen.
Und dann geschah es – ein einziger, durchdringender Laut, der aus der Richtung der Doheny Street zu kommen schien. Ihm folgten weitere Laute, Musik und hysterisches Gelächter. Es wuchs zu einer rasenden Intensität an, als der Menschenzug erschien.
An seiner Spitze gingen kleine Kinder, die brennende Fackeln trugen. Ihnen folgte eine Schar Frauen verschiedener völkischer Herkunft; sie tanzten, sangen und warfen händevoll weiße Blütenblätter um sich.
Die meisten Frauen waren nackt.
Dieser unglaubliche Umzug bewegte sich direkt zwischen der Reihe von Polizeibeamten und dem Gedränge der Teenager hin; die meisten Teenager tanzten bereits zu dem hypnotisierenden Rhythmus der Pfeifen und Trommeln.
Die Polizeibeamten standen verlegen da, die Hände an die Seiten gelegt, als nackte Frauen um sie herumtanzten, sie küßten und ihre Schutzhelme mit weißen Blumengirlanden schmückten.
Einige Zuschauer haben berichtet, daß mitten in der Prozession ein ganz in Weiß
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